Samstag, 20. August 2022

Weshalb die Mehrbedarfsregelungen für beeinträchtigte Menschen (Menschen mit Behinderung) im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende teilweise absurd sind

Hinsichtlich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (auch landläufig nach dem Entwickler des arbeitsmarktrechtlichen "Reform"konzepts Peter Hartz "Hartz IV" genannt) gilt der Grundsatz, dass - und das mutet ein wenig kurios an - im schieren Bezug der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ohne dass Maßnahmen wie Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben griffen, kein Mehrbedarf für schwer beeinträchtigte Menschen gewährt wird (in den Fällen des Vorliegens von solchen Maßnahmen beträgt der Mehrbedarf dann allerdings 35% der Regelbedarfsstufe, in die oder der Grundsicherungsleistungsempfangende fällt; vgl. § 21 Abs.4 SGB II).
Einfacher ist es, wenn ein Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft rentenversicherungsrechtlich voll erwerbsgemindert ist und die Voraussetzungen einer Schwerbehinderung unter Hin zuziehung des Merkzeichens "B" erfüllt, dann greift in der Tat der Mehrbedarfszuschlag von 17% (vgl. § 23 Ziff. 3 SGB II).
Schon wie der Gesetzgeber auf die 35% Mehrbedarfszuschlag bei Reha-Maßnahmen gekommen ist, wäre durchaus einen eigenen Beitrag wert, die 17% Mehrbedarfszuschlag für voll erwerbsgeminderte Schwerbehinderte mit einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfreiheit sind noch viel kurioser: Hier geht der Gesetzgeber davon aus, dass es zwar einen evidenten Mehrbedarf gebe, dass dieser Mehrbedarf jedoch pauschal mit der Hälfte desjenigen, den er beruflichen Rehabilitanden gewährt, abgedeckt sein soll (wobei die 17% sogar mathematisch unkorrekt sind, bei einer hälftigen Regelung müssten es nach kaufmännischen Regeln nämlich 18% sein). Wer die Gesetzesbegründung liest, kommt aus dem Lachen - ob nun vor Wut oder schierem Sarkasmus - kaum noch heraus.
Der Mehrbedarf im Recht der Grundsicherung wegen Alters und voller Erwerbsminderung nach den Regelungen kann hier außen vor bleiben, da derselbe nicht die Fragestellung abbildet.
Eine Mehrbedarfsregelung ähnlich den Regelungen das Sozialgeld nach dem SGB II betreffend kennt das SGB VI nicht. Das hat zwei Ursachen: Zum einen sind auch Erwerbsminderungsrenten - wie auch Renten, die z.B. wegen Alters oder aufgrund des Todesfalls eines Familienmitglieds gewährt werden - nicht existenziell bedarfssichernd ausgelegt, weil sie - lässt man einige Kautelen nicht beitragsrechtlicher Art außen vor - letztlich über ein bestimmtes Rechensystem die eingezahlten Beiträge in der Rentenversicherung als Zahlungsleistung abbilden. Das kann - je nach Beitragszahlung - deutlich mehr als die Grundsicherung sein, aber eben auch deutlich weniger, wenn entsprechend wenig eingezahlt worden ist (auf Wartezeitregelungen und ähnliches gehe ich jetzt vorliegend nicht ein).
Der zweite - und im Grunde viel wesentlichere - Punkt ist, dass das rentenversicherungsrechtliche System hinsichtlich der Beitragsberechnung auch für beeinträchtigte Menschen keine Bonusregelungen kennt (die kennt hinsichtlich der anrechenbaren Wartezeiten und bzgl. des Umstandes, dass ein Zeitbonus von zwei Jahren gewährt wird). Es widerspräche der Logik des Sozialversicherungssystems, wenn man aufgrund einer Beeinträchtigung einen Mehrbedarf gewähren würde (da die Rentenversicherung ja gerade nicht auf Bedarfsdeckung, sondern auf Beitragsausgleich ausgerichtet ist).
Mithin gibt es keinen Mehrbedarf im Recht der Erwerbsminderungsrenten (im Gegenteil, rentenversicherungsrechtlich erfuhr man bis vor Kurzem selbst hinsichtlich der anerkannten Beitragszeiten faktisch einen Malus).
Der Mehrbedarf beim Sozialgeld wird also deshalb gewährt, weil der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass Beziehende des Sozialgeldes, die gleichzeitig rentenversicherungsrechtlich voll erwerbsgemindert und schwerbehindert mit einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfreiheit sind (Grad der Behinderung von mindestens 50 und Zuerkennung des Merkzeichen "G") einen grundständigen Mehrbedarf haben, den der Gesetzgeber mit 35% des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe, in die der oder die Sozialgeld-Beziehende eingruppiert ist, pauschaliert hat.

Dienstag, 1. Juni 2021

Meine Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Hessischen Landesregierung für ein Gesetz zur Teilhabe von Menschen mit Sinnesbehinderungen (LT-Drs. 20/5474)

 Anhörung im Ausschuss für Soziales und Integration des Hessischen Landtages am 01.06.2021


Stellungnahme

zum Entwurf eines Gesetzes zur Teilhabe von Menschen mit

Sinnesbehinderungen (Sinnesbehindertengesetz; LT-Drs.: 20/5474)

der hessischen Landesregierung vom 29.03.2021

mit Anschreiben an den Landtags-Präsidenten vom 09.04.2021

(in den Landtag eingebracht am 12.04.2021)

von

Alexander Drewes, LL.M.

Mag. Jur. Dipl.-Psych. M.A. M.A.

Inklusions-Consult i.Gr.

 

 

A. Prolog

Schon im Hinblick auf die Begrifflichkeiten hinkt der Entwurf sprachlich den neueren Entwicklungen sowohl der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als auch der Internationalen Klassifizierung von Beeinträchtigungen (ICD) hinterher:

Aus einer Schädigung folgt eine Beeinträchtigung (hier: der Sinnesorgane), die zu einer Behinderung der gesellschaftlichen Teilhabe, sei es durch Barrieren oder durch Diskriminierung, führt. Mithin müsste es korrekt Landes-Sinnesbeeinträchtigtengesetz heißen, da die Behinderung den tatsächlichen Ausfluss des gesellschaftlichen Einwirkens auf den betroffenen beeinträchtigten Menschen darstellt.

 

B. Inhaltliche Bewertung des Gesetzentwurfes

 

I.

Hessen wäre erst das neunte Bundesland, das eine Geldleistung für gehörlose und taubblinde Menschen einführt. Es wird seitens der Landesregierung im Entwurf nirgendwo auch nur Versuch unternommen, zu erläutern, warum das Bundesland Hessen hier wieder einmal den sozialpolitischen Nachzügler darstellt.

 

II.

Der Gesetzentwurf stellt einen löblichen inhaltlicher Ansatz dar, der aber hinsichtlich der finanziellen Leistungsgewährung völlig verfehlt ist.

 

III.

Zur Schaffung eines Landesgehörlosengeldgesetzes ([LGlGG]:

 

1.

Schon der Begriff des Landesgehörlosengeldgesetzes ist semantisch falsch, schließlich gibt es keine Landesgehörlosen; semantisch wäre Landes-Gehörlosengeldgesetz korrekt) ist für gehörlose Menschen schon insofern ein Erfolg, als sie auch im Bundesland Hessen einen jahrzehntelangen Kampf darum ausgefochten haben, dass sie einen gleichberechtigten Teil der Gesellschaft darstellen; man denke nur an die auch in Hessen unsäglichen Diskussionen um die Einführung der Deutschen Gebärdensprache (DGS) als eigenständige Sprache vor Schaffung des Hessischen Behindertengleichstellungsgesetzes (HessBGG).

 

2.

Die Höhe der Leistung des Gehörlosengeldes im Umfang von 150,- € monatlich ist in Anbetracht der wesentlich höheren Kostenbelastung, denen gehörlose Menschen z.B. blinden Menschen ggü. ausgesetzt sind, eine Zumutung.

 

a.

Allein eine Stunde Gebärdensprachdolmetschung kostet – schon nach den Regelungen des JVEG – mindestens 85,- €. Das bedeutete, ein gehörloser Mensch würde sich von dem Gehörlosengeld noch nicht einmal zwei Stunden Dolmetschung leisten können. Gerade im privaten Bereich sind gehörlose Menschen sonst regelmäßig auf Teilhabeleistungen nach dem SGB IX als einkommens- und vermögensabhängige Sozialhilfeleistung angewiesen. Insofern sind die jetzt in Rede stehenden 150,- € nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein.

 

b.

Die Höhe der Leistungsgewährung orientiert sich hier ersichtlich nicht am tatsächlichen Bedarf, sondern ausschließlich an fiskalischen Erwägungen; dies bei einem sodann auch noch überschaubaren Personenkreis.

 

3.

Allenfalls als Hohn können die Betroffenen die Anrechnungsregelung des § 5 Abs. 1 LGlGG empfinden, wonach sich das Gehörlosengeld dem Grunde nach nicht einmal als eine eigenständige Leistung definiert, wenn andere vergleichbare Leistungen gewährt werden.

 

IV. Zur Änderung des Landes-Blindengeldgesetzes (LBliGG):

 

1.

Etwas besser stellt sich die Situation für taubblinde Menschen dar, die allerdings einen allumfassenden Kommunikationshilfebedarf haben. Hier würde nach dem Gesetzentwurf ggw. ein monatliches Leistungsvolumen im Umfang von 1316,- € gewährt. Da auch für Taubblindenassistenten/innen der gleiche Kostenansatz wie für DGS-Dolmetscher anzusetzen ist, bedeutete das, dass hiervon lediglich maximal 15,5 Stunden Assistenzleistungen monatlich finanziert werden könnten (hierin noch nicht mit eingerechnet sind die Warte- und Fahrzeiten, für die die Assistenzkraft weiterhin 75,- € geltend machen kann; vgl. hierzu die Regelungen des JVEG).

 

2.

Bei einem vollumfänglichen Assistenzbedarf deckt dies also gerade mal – ausgehend von einer Berufstätigkeit – 1/16 des durchschnittlichen privaten Tagesbedarfs, nämlich eine halbe Stunde von notwendigen acht Stunden täglich ab.

 

3.

Ansonsten ist auch dieser Personenkreis für die private Teilhabe auf Leistungen der einkommens- und vermögensabhängigen Eingliederungshilfe nach dem SGB IX angewiesen.

 

4.

Dass die Leistungsgewährung als Teilhabeleistung ein völlig neues Instrument auch für den überörtlichen Sozialhilfeträger ist, erfahre ich gerade im Antragsverfahren gegenüber dem zuständigen Träger, der den Eindruck erweckt, er habe noch nie mit einer derartigen Antragstellung zu tun gehabt. Auch das deutet darauf hin, dass die Anzahl von taubblinden Menschen im Bundesland Hessen durchaus überschaubar ist.

 

V.

Dass die Landesregierung in ihrer Begründung – immerhin über 15 Jahre nach Inkrafttreten des HessBGG (und damit der Anerkennung der DGS auch in Hessen) und auch lediglich viereinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes (BTHG), mit dem das Beeinträchtigungsbild der Taubblindheit endlich anerkannt worden ist – zu dem Ergebnis gelangt ist, dass es für diesen Personenkreis eigener Leistungstatbestände bedarf, ist in Anbetracht der Parteizugehörigkeit mindestens des Sozialministers außerordentlich negativ bemerkenswert.

 

VI.

Positiv ins Gewicht fallen die neuen Antragsregelungen (§ 6 Abs. 2 LGlGG; § 6 Abs. 2 LBliGG), wonach es künftig hinreicht, dass dann, wenn die Merkzeichen „Bl“, „Gl“ und/oder „TBl“ im Schwerbehindertenausweis durch die Versorgungsverwaltung eingetragen worden sind, dies für die Leistungsberechtigung im Antragsverfahren hinreicht.

 

1.

Das bisherige Antragsverfahren war für die Betroffenen im Rahmen der stattfindenden medizinischen Begutachtung teilweise schlichtweg unwürdig einer sozialstaatlichen Leistungsgewährung, ebenso unter dem Aspekt der menschenrechtlichen Teilhabegewährung nach den Regelungen der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK).

 

2.

Mit der Anerkennung der durch die Versorgungsverwaltung im Rahmen der Zuerkennung von Merkzeichen erfolgenden Verwaltungspraxis folgt die Landesregierung jedoch dem Grunde nach nur – wie sie ja in der Begründung selbst feststellt – der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) und demselben nachfolgend des Bundessozialgerichts (BSG). Mithin stellt die Neuregelung keine Besserstellung der Antragsteller, sondern lediglich die Aufhebung eines bisherigen Vollzugsdefizits dar.

 

VII.

Mit der Streichung des § 6 Abs. 3 bis 5 LBliGG nimmt der Gesetzgeber eine solche von Normierungen vor, die schon in der Fassung des LBliGG vom 06.11.2011 nicht mehr Gesetz waren.

 

VIII.

Auch der neu zu schaffende § 5 Abs. 4 LBliGG zeigt überdeutlich, dass die Landesregierung die Leistungsgewährung auch für blinde und taubblinde Menschen nach dem Sparstrumpfprinzip als eigenständige Leistung nur dann anerkennt, wenn andere gleichartige Leistungen nicht erbracht werden (und der Pflegebedarf hier nach wie vor in einer völlig unrealistischen Höhe angerechnet wird; blindheitsbedingter Pflegebedarf kommt nach der Modulgestaltung des SGB XI praktisch überhaupt nicht vor; trotzdem behauptet die gesetzliche Regelung stante pedes das Gegenteil).

 

IX.

Soweit in der Begründung des Gesetzentwurfes behauptet wird, das LGlGG entspräche inhaltlich weitgehend dem LBliGG, stimmt das allenfalls für die verfahrensrechtlichen Regelungen, nicht hingegen für die Leistungshöhe, worauf weiter oben bereits eingegangen worden ist.

 

C. Resümee

 

1.

Insgesamt muss man resümierend konstatieren, dass die Landesregierung hier nicht nur völlig verspätet einen dringend notwendigen leistungsgesetzlichen Tatbestand für gehörlose und taubblinde Menschen schafft und das Verfahren sachte positiv zugunsten der Betroffenen ausgestaltet, sondern dass sie im Hinblick auf die Leistungshöhe bei den jetzt neu betroffenen Personengruppen (gehörlose und taubblinde Menschen) völlig an der Lebenswirklichkeit der Betroffenen vorbeiagiert.

 

2.

Die im Gesetzentwurf genannten Leistungshöhen von 150,- € für gehörlose und 1316,- € für taubblinde Menschen decken nicht im Ansatz den tatsächlichen Bedarf und sollen das augenscheinlich auch gar nicht, werden doch die Leistungen sogar mit vergleichbaren durch andere Leistungsträger verrechnet.

 

3.

Man muss der Landesregierung leider unterstellen, dass sie nicht einmal wie ein Tiger gesprungen und wie ein Bettvorleger gelandet ist, sie hat den Tiger vorab scheinbar dermaßen schläfrig sein lassen, dass der Gesetzentwurf, der zudem auch in Teilen schlampig verfasst worden ist, in seiner Intention – gerade in Anbetracht der Regelungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, des HessBGG und insbesondere der UN-BRK – als weitgehend gescheitert gelten muss.

Freitag, 4. August 2017

Worin sehen Führungskräfte die größten Schwierigkeiten bei der Anstellung schwerbehinderter Arbeitnehmer?

Von 500 Führungskräften sagen: 
- 57%, sie sähen ein Problem darin, dass Arbeitsplätze barrierefrei ausgestaltet seien; 
- 24%, dass behinderte Menschen den Anforderungen im Unternehmen nicht gerecht werden könnten; 
- 24%, es gäbe keine passenden Bewerber mit Beeinträchtigungen; 
- 21%, dass sich der Gesundheitszustand der beeinträchtigten Bewerber im Verlauf der Tätigkeit verschlechtern könne, es dadurch zu personellen Ausfällen im Unternehmen kommen könne; 
- 19%, dass die Beschäftigung beeinträchtigter Menschen Aufwand und hohe Kosten für das Unternehmen verursachen würde.
Erstaunlich ist das nicht wirklich. Selbst jemand wie ich, hoch qualifiziet, hoch motiviert, mobil trotz massiver Beeinträchtigungen, tue mich schwer bei der Suche, obwohl (oder vielleicht auch gerade?) weil ich auf dem Level des ehemals höheren Dienstes bzw. auf Geschäftsführungsebene suche. Scheinbar scheinen die Arbeitgeber einem beeinträchtigten Menschen, selbst wenn er beretis früher Führungsaufgaben wahrgenommen hat, nicht zuzutrauen, dass derselbe das noch immer kann, wenn sich sein Beeinträchtigungsbild zwischenzeitlich massiv verschlechtert hat. Erstaunlich ist auch, was man sich insbesondere bei den sog. Sozialverbänden so "anhören" darf. Ich habe von einem der größten Landesverbände eines Sozialverbandes den Rücklauf erhalten, ich möge doch zunächst einmal ein Praktikum (natürlich unbezahlt, wohlgemerkt auf eine Stellenausschreibung hin) wahrnehmen, danach könne man ja einmal sehen, ob ich für eine Sachbearbeitung (beworben hatte ich mich auf eine Geschäftsführung) geeignet sei, hernach könne man ja sehen, ob ich mich nicht nach längerer Zeit sozusagen hocharbeiten könne. Was einem da - mehr oder minder unverblümt - an Diskriminierung entgegen schlägt, ist wirklich erschreckend und man braucht schon ein enorm dickes Fall, um das auf eine längere Sicht hin durch zu halten. Deshalb kann ich Bewerber/innen gut verstehen, die irgendwann völlig entnervt aufgeben. #Arbeitsmarkt #Nixklusion
Ich überlege mir deshalb schon längere Zeit, ob es nicht einen Sinn ergibt, mit mehreren Interessierten einen Inklusionsbetreib zu gründen, der - ähnlich wie die ZAV - versucht, schwerbehinderte Akademiker zu vermitteln. Das könnte aus meiner Sciht deshalb Sinn ergeben, weil dann selbst Betroffene den Arbeitgebern aufzeigen könnten, dass und was alles tatsächlich möglich ist.

Die Quelle zu den Zahlen und dem zugrundeliegenden Artikel in der "Wirtschaftswoche": http://bit.ly/2vp7HHU

Mittwoch, 26. Juli 2017

Was hat das Nicht-Versenden der Para-WM im Rundfunk mit fehlender Inklusion zu tun?

Ich glaube nicht, dass die Verflachung auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wirklich das Problem ist. Ich sehe die Schwierigkeit eher darin, dass und wie wir als behinderte Menschen (allein die Begrifflichkeit macht einen schon völlig kirre, richtiger wäre ja wohl eher beeinträchtigt, weil Behinderung die von außen auf uns einwirkende Form von mittelbarer oder unmittelbarer Diskriminierung ist) wahrgenommen werden. Da hilft uns kein UN-BRK, keine BGG'e auf Bundes- und Länderebene, kein - wie auch bei den beiden vorgenannten Gesetzen übrigens - im Bereich der juristischen Durchsetzbarkeit eher schwachbrüstiges AGG, solange "Behinderung" nach wie vor eher als gesellschaftliches Stigma denn als vollkommene gesellschaftliche Normalität wahrgenomemn wird.
Alleine die Dieksussion um die Pränataldiagnostik - man denke nur an Menschen mit Trisomie-21 - lässt einen doch immer wieder aufhorchen, scheint es doch durchaus so zu sein, dass nur ein gesundes, wohlgestaltetes Baby die Anspruchshaltung der Eltern, deren Umfeldes und der Gesellschaft als akzeptabel erachtet wird. Diese eugenische Grundhaltung - auch von vielen vermeintlich Wohlmeinenden aus dem Bereich der Sonderpädagogik und durchaus nicht nur aus dem medizinischen Apparat - setzt sich so vielfgestaltig fort, dass wir sie selbst in Bereichen des politischen Establishments nachvollziehen können. Wenn man sich z.B. die regelmäßig stattfindenden scheinheiligen Debatten im Deutschen Bundestag zum Thema Behindertenpolitik so vergegenwärtigt, so haben dort die meisten Rednerinnen und Redner in den Debatten außer politisch korrekten Phrasen eigentlich überhaupt keinen Lebenszusammenhang mit dem Thema "Behinderung". Stelten traf die Phrase vom "Raumschiff Bundestag" besser als bei solchen Debatten. Vielfach meint man selbat auf dieser Ebene, die Debattierenden spräche eher von Außerirdischen als von Menschen, die mitten unter ihnen als gleichberechtigter Teil dieser Gesellschaft lebten. Gleichberechtigt sind wir formal durchaus, aber - wie man auch auf Facebook oder z.B. in den kobinet-Nachrichten immer wieder lesen kann - es ist dann doch eine eher integrierende als eine inklusive Gleichberechtigung, die sich so ungefähr auf der Ebene abspielt: Wenn man die "Behinderten" neben die "Nicht-Behinderten" vor einer Mauer mit einer Höhe von anderthalb Metern in die erste Reihe stellt, sind sie ja gleichberechtigt, weil alle auf dem gleichen Höhenniveau stehen, die Nicht-Rolstuhlnutzenden aber insofern im Vorteil sind, als sie über die Mauer sehen können, die Rollstuhlnutzenden eben nicht. Gleichberechtigt sind diejenigen, die ein anderes Höhenniveau benötigen, aber erst dann, wenn man für sie eine Erhöhung schafft, dass sie auch tatsächlich in gleicher Weise am Ereignis teihilhaben können wie diejenigen, die eines Ausgleichs des Höhenniveaus nicht bedürfen. Während man ersteres getrost als Integration bezeichnen kann, wäre letzteres tatsächliche Inklusion. Verblüffend in der Diskussion der letzten Jahre ist aber, dass gerade diejenigen, die nicht nut keine Inklusion wollen, sondern von der vermeintlichen Integration gar nicht weg wollen, die Begrifflichkeit der Inklusion mit am lautstärksten propagieren. 
 
 Der zugrunde liegende Artikel im SPIEGEL: http://bit.ly/2uYSwoh

Sonntag, 23. Juli 2017

Welche Verantwortung trägt die Sozialhilfeverwaltung an den Missständen, welche nicht viel eher die Politik? Der "Fall" Jessica

Der Beitrag geht insofern vollkommen fehl, als er die #Sozialhilfeverwaltung vorliegend als die Alleinschuldige darstellt. Natürlich ist es ein Skandal sondergleichen, wenn sich bei einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung eine Sozialbehörde erst nach zwei Jahren zu einem für sie vermutlich auch noch vorteilhaften Vergleich bereitfindet (einen gerichtlichen Vergleich schließt man als Behörde ja nur dann ab, wenn man ein unwägbares Prozessrisiko voraussieht oder von vornherein weiß, dass in einem Endurteil des Ergebnis deutlich zugunsten der oder des Betroffenen ausfallen wird). Das kann sich die Hamburger Sozialbehörde aber nur deshalb "leisten", weil es im #Sozialverwaltungsrecht - die #Sozialhilfe ist ein Teil davon - keinerlei normative Durchgriffsmöglichkeiten der Betroffenen gibt (die einzige Möglichkeit wäre die #Staatshaftung; dieselbe ist aber so kompliziert ausgestaltet, dass es vielleicht drei Dutzend Experten in Deutschland gibt, die davon wirklich etwas verstehen). Das heißt, wo die Sozialbehörde keinerlei Sanktionen außer der schieren Nachzahlung einer Leistung, zu der sie gesetzlich soweiso verpflichtet ist, zu fürchten hat, werden solche Fallgestaltungen eher die Regel als die Ausnahme werden.
Warum ist das so?
Der Deutsche #Bundestag und der #Bundesrat haben Ende letzten Jahres ein vor allem von den Regierungsfraktionen im Bundestag viel gelobtes #Bundesteilhabegesetz (#BTHG) verabschiedet, das in Teilen zum 01. Januar in Kraft getreten ist. Das Versprechen des Gesetzgebers war ursprünglich, dass unter Einbeziehung der Normgestaltung der #Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen der immer noch in der #Eingliederungshilfe vorhandene Fürsorgecharakter durch Leistungen zur #Teilhabe ersetzt werden sollen.
Allerdings standen die Regierungsfraktionen von vornherein unter einem unlösbaren Dilemma. Dass Teilhabe nämlich Geld kostet, versteht sich - wie die Fallgestaltung, die hier geschildert wird, deutlich zum Ausdruck bringt - eigentlich von selbst. Die #Bundesregierung ist folglich an die Länder und Kommunen mit dem Versprechen herangetreten, sie wolle ein #Teilhabesicherungsgesetz schaffen, das gleichzeitig Teilhabe ermöglichen und nicht mehr als der bisherige Leistungsumfang kosten solle. Dabei war man insofern "tricky", als man z.B. Regelungen einzuführen getrachtet hat, die den Teilhabebedarf davon abhängig gemacht haben würden, ob man wenigstens in fünf aus neun Lebensbereichen einen derartigen Bedarf aufzuweisen habe (im vorliegenden Fall wären es immer noch mindestens drei aus neun Lebensbereiche, weil Jessica einen umfassenden Assistenzbedarf hat). Zumindest diese gesetzgeberische Schandtat ist jetzt erst einmal um einige Jahre verschoben worden.
Der #Gesetzgeber hat also versucht, eine eierlegende Wollmilchsau zu kreieren, was schon in unkomplizierteren Fällen regelmäßig schief geht, aber im Bereich der Teilhabe behinderter Menschen schon aufgrund der juristisch unblaublichen## Komplexität und Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse völlig daneben gehen musste. Man kann nur entweder ein Huhn dazu bringen, dass es Eier legt oder es schlachten, beides gleichzeitig ist schlechthin unmöglich.
Wir, die selbst Betroffenen, insbesondere auch solche mit einem juristischen Hintergrund, haben die #Regierungskoalition vielfach, vielgestaltig und ab einem gewissen Zeitpunkt im letzten Jahr auch ausgesprochen lautstark vor dieser #Gesetzgebung gewarnt. Die neue Gesetzgebung fällt dem Bund bereits wenige Monate nach Inkrafttreten dieses Nicht-Teilhabegesetzes "auf die Füße" und man kann es den Sozialbehörden - lässt man die untragbare menschenrechtlichte Situation, unter der die Betroffenen zu leiden haben, einmal außen vor - nicht einmal übel nehmen, dass sie jetzt versuchen, den gesetzlichen Rahmen bis zur Neige auszukosten.
Das ist insofern finanzpolitisch - keinesfalls sozialpoliitsch - verständlich, als die Teilhabesicherung wie vormals die Eingliederungshilfe praktisch vollständig aus den kommunalen Kassen steuerfinanziert wird. Der Bund hat den Ländern zwar vor Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes versprochen, für die Teilhabesicherung fünf Milliarden Euro zusätlich aufwenden zu wollen (wohlgemerkt, einmalig, nicht jährlich), hat dieses Versprechen aber im letzten Jahr zugunsten anderer Finanzierungsoptionen für die Länder wieder kassiert. Das heißt, die Sozialhilfe bleibt nach wie vor _das_ Stiefkind der Bundespolitik.
Insofern macht es wenig Sinn - abgesehen von aller Tragik einer solchen Falldarstellung wie der vorliegenden -, dass man mit dem Finger ausschließlich auf die Exekutive, also die Verwaltung, zeigt. Die wahren Verantwortlichen sitzen in der Legislative, also in der Gesetzgebung, und sie sind beim Bund angesiedelt. Man könnte es auch noch drasticher formulieren: #CDU/#CSU und #SPD wollten im vergangenen Jahr schlicht und einfach nicht in nennenswertem Umfang Geld in die Hand nehmen, um die Teilhabe behinderter Menschen wirklich zu befördern und zu sichern. Das Ergebnis sind solche "Fälle" wie der von Jessica. Zudem hat der Gesetzgeber mit einem schier unfassbaren juristischen Wortgeklingel im BTHG versucht, zu verschleiern, dass sich für die Betroffenen praktisch kaum etwas wirklich zum Besseren wendet (und dafür dann immerhin über 360 Seiten in einen Gesetzentwurf investiert). Deshalb kann man als Betroffener eigentlich nur schreiben: Das ist #NichtmeinGesetz.


Der Link zum Beitrag im MDR: http://bit.ly/2uNj4sk

Samstag, 17. Juni 2017

Der SPIEGEL und die schulische Inklusion behinderter Kinder

Sicherlich in keiner Weise hilfreich war bislang die mediale Begleitung des Themas Inklusion behinderter Menschen durch den SPIEGEL. Man erinnere sich nur an die - wirklich unglaubliche - Titelgeschichte, die Sie Anfang vergangenen Monats in Ihrem Blatt gebracht haben. Vielleicht können Sie jemandem wie mir, immerhin multipel selbst Betroffener und Vater selbst behinderter Kinder, einmal erklären, weshalb Sie ein solches Thema an einer Fallgestaltung "aufhängen" müssen, die nicht nur dem Thema massiv schadet, sondern die Inklusionsbemühungen, die es ja durchaus gibt, auch noch hinlänglich beschädigt.
Weshalb ist der SPIEGEL nicht in der Lage, ein solches Thema als das zu transportieren, was es für die Betroffenen ist, nämlich als eine echte Chance? Natürlich ist es trendy und chic, der Antithese zur Inklusion behinderter schon deshalb das Wort zu reden, weil es am Willen fehlt, dieselbe umzusetzen, weil ersichtlich zu wenig Personal zur Verfügung steht, weil es immens an sächlichen und finanziellen Mitteln fehlt. Das - mit Verlaub - ist allerdings ein Problem des deutschen Schulsystems. Man kann dem natürlich dadurch begegnen, wie es CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen jetzt getan haben, die ersichtlich (auch) einen Schulwahlkampf geführt haben, die FDP wohl deshalb, weil es derselben um die Zahnarzteltern ging, die in Angst davor leben, ihren Sprößlingen könnte es die Schulkarriere verhageln, wenn sie zusammen mit behinderten Kindern unterrichtet werden müssen. Der CDU hingegen muss ja schon ihr christliches Menschenbild im Wege stehen; wie kann es sein, dass sich behinderte Menschen anmaßen, die gleichen Rechte für sich geltend machen zu wollen, wie nicht behinderte. Das ist ersichtlich nicht Gott-gegeben. Der Wahlkampf war Diskriminierung reinsten Wasser, und wenn Sie eiinmal etwas in sich gehen würden, kämen Sie - möglicherweise - ja zu dem Schluss, dass mindestens Ihre Berichterstattung (ich fürchte ja eher, die Denke der entsprechenden, das Thema bearbeitenden Redakteure/innen) - genau dasselbe ist. Sie tut nämlich gerade so, als seien behinderte Menschen per se nicht mit nicht-behinderten vergleichbar und stellten für sich genommen dem Grunde nach praktisch immer ein Problem für die nicht-behinderte Mehrheit dar. Bravo, so grenzen Sie über den Daumen gepeilt einfach einmal 10% der Bevölkerung aus.
Dabei bestreitet niemand, absolut niemand, dass wir uns selbst dann in den Mühen der Ebenen bewegen würden, wenn die Inklusion politisch nicht nur rhetorisch gefordert, sondern auch gewollt wäre. Es gibt viel zu wenig qualifizierte Schulbegleiter, die Bezahlung derselben stlelt ein echtes Dilemma dar, die Lehrerschaft ist nach meinen Erfahrungen in großen Teilen mindestens unwillig, weil "das behinderte Kind den Ablaufplan stört und sich nicht nahtlos in den Curriculum einfügt". Spätestens als ich diese Aussage gehört habe, war mir klar, dass nicht an den behinderten Kindern etwas falsch sein muss, sondern offensichtlich grundlegend etwas an der pädagogischen Ausbildung unserer Lehrkräfte. Zudem fehlt den Kommunen das Geld, Schulen in weitem Umfang barrierefrei herzurichten (nun ja, soll sich der Bund doch dafür jetzt finanziell engagieren, das grundgesetzliche Recht hätte er ja neuerdings dazu), es gibt kaum jemals zwei Klassenlehrerer je Klasse, wie sie selbst in einer solchen, in der nicht inklusiv beschult würde, außerordentlich von Vorteil wäre. Wir sparen bei unserer Bildung von vorne bis hinten, verlangen unseren Kindern nach PISA ein immer höheres Leistungsquantum ab und wundern uns dann allen Ernstes, dass uns das Bildungssystem sukzessive "den Bach runtergeht". Ich konstatiere: Man könnte, wenn man wollte, aber schon auf der politischen Ebene will man in Wahrheit ja gar nicht, weil man dann so viele heilige Kühe des Bildungssystems schlachten müsste, dass sich daran großflächig kein Mensch dran traut. Dass es anders geht, zeigt beispielsweise der Ansatz der Offenen Schule Waldau in Kassel. Vielleicht hätten Sie im Rahmen Ihrer Berichterstattung dieselbe einmal besuchen sollen, immerhin war die Schule vor einigen Jahren bei einem Schulranking von Ihnen unter den besten in Deutschland. Das hat Gründe. Aber dieselben muss man natürlich sehen, wahrnehmen und auch rezipieren wollen. Ich bin mir bei Ihnen schlichtweg nicht mehr sicher, ob Ihr Journalismus - gerade bei "Rand"themen, wie es in Ihren Augen sicherlich die schulische Inklusion behinderter Kinder ist - überhaupt noch in der Lage ist, dem gerecht werden zu wollen, ja, ich gehe so weit, die Vermutung anzustellen, dass Sie dazu vermutlich gar nicht in der Lage sind. Es könnte ja Ihr Weltbild dann doch ein wenig deformieren, wenn Sie erführen, dass Inklusion auch funktionieren kann.

Der ursprüngliche Artikel, auf den ich mich beziehe, ist die Titelgeschichte "Illusion Inklusion" aus der gedruckten Ausgabe 19/2017 vom 06.05.2017, S. 100 ff. Bei einem solch wichtigen Thema hat der Verlag es vorgezogen, den Artikel lediglich bezahlweise ins Internet zu stellen.
Offensichtlich ist der Redaktion mittlerweile aufgegangen, dass das Thema - gerade auch aus Sicht der Eltern - eine solche Wucht entfaltet, dass er den Artikel "Schulfrust wegen Inklusion: Die Macht der wütenden Eltern" von Silke Fokke jetzt unentgeltlich online gestellt hat (was natürlich auch daran liegen wird, dass sich der Artikel von Fr. Fokke in der neuen Print-Ausgabe 25/2017 vom 17.07.2017 nicht findet; nun ja, es ist natürlich wichtiger für das Blatt, die Stadt, in der es erscheint, einmal wieder in einer Titelgeschichte relativ unmotiviert hochleben zu lassen. Der Link zu dem Artikel auf SPIEGEL online: http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/hamburg-schulfrust-wegen-inklusion-eltern-rechnen-mit-der-politik-ab-a-1151378.html.

Montag, 19. Dezember 2016

Das Bundesteilhabegesetz (#BTHG) ist eine einzige sozial- und #behindertenpolitische Lüge

Was ist das denn mit dem #Bundesteilhabegesetz (#BTHG) für ein merkwürdiges Gesetz, bei dem erst die Justiz austarieren muss, ob der #Gesetzgeber mit seinen Floskeln, er handele hier im Sinne der #UN-#BRK und natürlich sei seine #Gesetzgebung verfassungsgemäß hantiert, sich die Kämmerer in den Kommunen und die Finanzdezernenten bei den überörtlichen Trägern sich mit Sicherheit jetzt schon die Hände reiben werden ob der schieren - im Gesetz ja so angelegten - Möglichkeiten, künftig noch rechtswidriger sparen zu können, als das nach den bisherigen Regelungen auch das #SGB XII ja durchaus schon der Fall war?
Dass man ein solches Gesetz gerade für Menschen schafft, die in aller Regel sowieso schon ein Vielfaches an Aufwand mit der Verwaltung nur dadurch haben, dass sie eine oder mehrere so erhebliche Beeinträchtigungen haben, dass sie künftig auf die (Achtung, Euphemismus) Teilhabeleistungen, die nach wie vor den Regelungen der Eingliederungshilfe folgen, angewiesen sind, ist ein Schlag ins Gesicht all' derjenigen, die seit Jahr und Tag versuchen, gravierende gesetzliche Vereinfachungen im Bereich des Teilhabe- und #Eingliederungshilferechts zu erreichen. Der Gesetzgeber bleibt ja schon bei der Funktion eines Teilhabeleistungsträgers - wieder einmal - auf halbem Wege stehen. Konsequent wäre es gewesen, jetzt _einen_ #Teilhabeleistungsträger zu schaffen, der sodann grundständig für alle behindertenrechtliche Belange zuständig zeichnet. Wenn man sich allerdings die Qualität der MitarbeiterInnen in den Sozialhilfeverwaltungen so ansieht, kann man den Gesetzgeber dann durchaus wieder verstehen, dass er davon zum wiederholten Male Abstand genommen hat. Und, wo kämen wir denn da hin, wenn für beeinträchtigte Menschen oder ihre Angehörigen einmal irgendetwas einfacher würde? Stattdessen schafft der Gesetzgeber ein Monstrum, das nicht einmal diejenigen verstehen, die darüber wesentlich beraten und abgestimmt haben. Ich nenne hier nur den #Obmann der #CDU-/#CSU-#Bundestagsfraktion Karl #Schiewerling, der in einem Pressegespräch im Nachgang zur Zweiten und Dritten Lesung des BTHG im Deutschen #Bundestag ausdrücklich gesagt hat, es gäbe keinen Kostenvorbehalt und niemand müsse aufgrund der Schaffung des BTHG nunmehr Befürchtungen hegen, er unterfiele dem "Zwangs-Pooling" oder müsse gar seine bisherige Wohnform zugunsten einer stationären aufgeben, der jetzt aber ggü. #ForseA - wer hätte das gedacht oder doch nur etwas anderes erwartet? - sich auf wachsweiche Formulierungen zurückzieht, die interpretatorisch genau den Spielraum lassen, den der Gesetzgeber ganz offensichtlich den #Sozialhilfeverwalungen schaffen wollte. Das ist in sich auch völlig logisch, man kann nicht in einen #Koalitionsvertrag schreiben, man kann nicht in die Präambel des BTH'G schreiben, man kann nicht die Ansprüche des Bundesrates an das Gesetz 1:1 umsetzen, die da lauten: Teilhabe gerne, aber wesentlich mehr kosten für zukünftig wesentlich mehr Betroffene schon aufgrund der demografischen Entwicklung darf es dann bitte nicht und gleichzeitig ein dem menschenrechtlichen Anspruch der UN-BRK oder auch nur dem Glechheitssatz des #Grundgesetzes folgendes #Teilhaberecht zu schaffen. Die Reduzierung der #Kostendynamik war die wesentliche Triebfeder, die den Gesetzgeber bei Schaffung des BTHG umgetrieben hat, alles Weitere ist im Großen und Ganzen schiere Heuchelei gegenüber den Betroffenen.
Und ich wiederhole es wieder und wieder: Wenn die Verbände der Behinderten(selbst)hilfe jetzt allen Ernstes der Ansicht sind, sie hätten durch ihre Proteste nach der Ersten Lesung etwas Wesentliches erreicht, müssen sie noch größere Scheuklappen vor den Augen haben, als das zuvor bereits offenbar wurde. Das Parlament durfte genau das (und im Grunde genommen nicht einmal das, die Verschlechterung bspw. in § 99 SGB IX hinsichtlich der Voraussetzungen, die im Hinblick auf Teilhabeleistungen erfüllt werden müssen, kommt ja trotzdem im Jahr 2023) abräumen, was die Bundesregierung an so exzessiven gesetzgeberischen Grausamkeiten verbrochen hatte, weil sie genau wusste, dass auf diesen der Fokus der Betroffenen liegen würde.
Ansonsten wird bei diesem Gesetz dermaßen viel gelogen, dass die sich in solchen Fällen sprichwörtlich biegenden Balken eigentlich längst gebrochen sein müssten. Die Bundesregierung "verkauft" das BGG als einen wesentlichen Fortschritt im Sinne der UN-BRK. Das ist eine glatte Lüge. Die Bundesregierung behauptet, durch die Herausnahme der Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe und die Hereinnahme der jetzt ja als "Teilhabe" postulierten Eingliederungshilfe würde sie systematisch etwas ändern. Das ist nur insofern richtig, als die Herausnahme aus dem SGB XII sinnlogisch ist, aber ja nichts an den Voraussetzungen der Eingliederunghilfe ändert (mir kann bis heute - fiskalpolitische und staatspolitische Zielsetzungen einmal außen vor gelassen - niemand erklären, weshalb man für eine Teilhabeleistung noch Geld mitbringen muss; mir kann bis heute niemand erklären, weshalb Schweden mit einem deutlich niedrigeren Bruttoinlandsprodukt es schafft, die #WfbM ersatzlos abzuschaffen und die dort Beschäftigten auf dem ersten Arbeitsmarkt unterzubringen - klar kostet das einen Haufen Geld -, Deutschland hingegen nicht; mir kann niemand erklären, weshalb sich auch die Behinderten(selbst)hilfe seit Jahr und Tag einen Dreck um diejenigen beeinträchtigten Menschen kümmert, die überhaupt nicht in der Lage sind, für ihre Rechte selbst einzutreten usw., usf.).
Das gesamte BTHG ist eine einzige Mogelpackung: Darauf hätte der Blick der Protestierenden gerichtet sein müssen, weniger darauf, welche Einzelprobleme sich mit der Schaffung des BTHG (weiterhin) ergeben werden. Die Bundesregierung, der Deutsche #Bundestag, der #Bundesrat und, wenn nicht alles irrt, nächsthin der #Bundespräsident der Bundesrepublik # Deutschland zementieren ein Zwei-Klassen-Recht in diesem Land. Künftig gilt nicht mehr nur als Mensch zweiter Klasse, wer als Flüchtling in dieses Land kommt und sich meint, erfrechen zu müssen, hier Asyl zu beantragen (dann gilt für ihn nämlich das Asylbewerber-Leistungsgesetz, das selbst ggü. Grundsicherungsempfängern noch deutliche Leistungsabstriche macht). Wie gewohnt, aber jetzt immerhin mit dem Nimbus dessen, dass es ja das erste wesentliche Leistungsausführungsgesetz ist (das BTHG versteht sich selber schon nicht als Leistungsgesetz, das wäre dann allerdings aufgrund der Fallstricke, die in diesem Gesetz lauern, auch der Phantasmagorie ein bisschen zu viel), das den Regelungen der UN-BRK weitgehend entspricht. Das ist - man muss es ceterum censeo wiederholen - eine Lüge. Es ist auch keine kleine oder lässliche Lüge, es ist eher die Faust im Gesicht der Betroffenen, die sie hier zu spüren bekommen und die sie nach dem Willen der Politik ganz augenscheinlich auch genau so spüren sollen.
Es würde zu weit führen, hier von einer staatlich verordneten Euthanasie der Betroffenen zu schreiben, aber es handelt sich bei diesem Gesetz um die bewusste und gewollte permanent fortgesetzte Prekarisierung, Aussonderung und das Stellen auf das Abstellgleis von betroffenen beeinträchtigten Menschen und deren Angehörigen.
Das muss man einfach wissen, wenn man mit Menschen aus dem politischen Apparat, wenn man mit "Fachleuten" aus der Sozialleistungsverwaltung, wenn man mit "Öffentlichkeitsarbeitern" wie Berufstätigen in der Presse oder den Rundfunk- oder den Internetmedien spricht. Die Bundesregierung veranstaltet mit dem BTHG den größten Sozialbetrug in den letzten Jahren. Und die Bundesregierung weiß das, und die Bundesregierung will genau das. Alles andere ist politische Dampfplauderei. Das muss man einfach wissen.