Dienstag, 9. Februar 2010

Ist die Agenda 2010 nach dem Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 gescheirtert?

Natürlich ist die Agenda 2010 gescheitert, weil sie von einem vollkommen verfehlten Menschenbild ausgeht. Bei der gesamten Hartz-Gesetzgebung hat sich der traditionelle sozialdemokratische Leistungsgedanke (gegen den im Grunde nichts einzuwenden wäre, hätten die Sozis nicht daneben das Element der Solidarität völlig aus dem Blick verloren, als sie die Grundsicherungsgesetzgebung beschlossen haben) mit einer neoliberalen Attitüde vermengt, die dem unter Kohl postulierte Credo, dass Leistung sich wieder lohnen müsse, endgültig zum Durchbruch verholfen hat. Ganze Personengruppen, von den Alleinerziehenden über behinderte Menschen bis zu sonstig sog. schwer Vermittelbaren, wurden bei dieser Gesetzgebung des "Forderns und Förderns" völlig außen vor gelassen, zumal das Fördern seit nunmehr fünf Jahren nahezu überhaupt nicht funktioniert. Die Agenda 2010 musste scheitern, weil nahezu sämtliche ihrer Prämissen falsch sind, folglich sind auch beinahe alle daraus gezogenen Schlussfolgerungen falsch.
Wenn man sich jetzt ansieht, dass die kommunalen Spitzenverbände ggw. um eine Verfassungsänderung dahingehend kämpfen, dass die Argen bestehen bleiben sollen (die Bundesagentur für Arbeit hat daran kein wirkliches Interesse), dann doch nicht deshalb, weil es den Leistungsträgern um die vorgebliche Leistung aus einer Hand geht, die bei sämtlichen oben genannten Personengruppen gerade _nicht_ funktioniert. Nein, bei allem Gejammere, wie viel Hartz IV doch insbesondere die Kommunen koste: Durch die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe haben vor allem die Kommunen ein massives Sparpotenzial entdeckt, dass sie in den letzten Jahren zum Teil geschickt dadurch ausgebaut haben, dass sie die sie selbst betreffenden Kosten der Unterkunft in großem Umfang pauschaliert haben, gerade mit eben solchen Rechentricks, mit denen schon der verfassungswidrige Regelsatz begründet worden ist.
Machen wir uns nichts vor: Es ging zuallerletzt und zuallerwenigst darum, Menschen tatsächlich wieder in Arbeit zu bringen (bei sieben Mio. Leistungsempfängern der Grundsicherung und des Sozialgeldes wäre das wohl auch ein eher hehrer Anspruch). Es ging - unter dem Postulat der vermeintlichen Folgen der Globalisierung - einzig und alleine darum, am unteren Rand der Bevölkerung ein Sparpotenzial zu offenbaren, das es den Unternehmen durch eine weitgehende Reduzierung des Entgeltniveaus auf dem Niedriglohnsektor erst ermöglichte, den sharholder value so richtig prmonient in den Vordergrund zu stellen. Dazu muss man nicht einmal ein Linker sein, das sieht in letzter Konsequenz selbst ein Prof. Sinn im Ergebnis nicht wesentlich anders. Und genau das war politisch doch auch gewollt. Was man einzig der SPD als Partei und den vermeintlich bürgerrechtlich orientierten GRÜNEN vorwerfen kann ist, dass sie diesem Basta-Kanzler bei dessen erbärmlichen Muskelspielchen im Parlament auch noch gefolgt sind und sich von dessen Vertrauensfrage in dieser Angelegenheit haben "aufs Kreuz legen" lassen.
Wenn ich heute allerdings bereits zum Teil lese, die momentane Regierungskoalition könnte sich pilatisch "die Hände in Unschuld waschen", schließlich sei sie ja an der Hartz-Gesetzgebung nicht beteiligt gewesen, zeigt das einmal mehr die vollendete Scheinheiligkeit politischer Argumentation. Zum einen haben die Schwarz-Gelben das gesamte Hartz-Paket natürlich mitgetragen, es entsprach ja seit jeher ihrer politischen Überzeugung. Zum anderen: Wer konnte die momentane Regierungskoalition auf Bundesebene denn daran hindern, ein tatsächliches Wachstumsbeschleunigungsgesetz zu beschließen, indem die Regelsätze auf das existenznotwendige Minimum von ggw. um die 480,- € erhöht worden wäre? Da lese ich heute schon wieder in SPIEGEL online - und man möchte beinahe meinen, es ginge unmittelbar um das Geld des schreibenden Redakteurs: Was das den Staat wieder alles kosten wird?
Na und! Als die Spekulanten die Wirtschaft beinahe "in den Graben" gefahren haben, hat auch kein Mensch mehr danach gefragt, wie teuer das Ganze wohl werden könnte. Da ging es auf einmal nur noch nach dem Prinzip "Vogel friss oder stirb". Ist also eine Volkswirtschaft in Gefahr, ist jedes denkbare Mittel recht, widerspricht es auch noch so sehr jedem Marktmodell. Geht es aber "nur" um sieben Millionen von Grundsicherung und Sozialgeld Betroffene, darf lustig drauflos gespart werden, die Klientel kann sich ja zum einen kaum wehren, zum anderen hat sie auch nicht das Geld, die regierenden Parteien für ihre eigene Zweckverfolgung zu schmieren, wie das die Hotellerie offensichtlich in großem Umfang zu können in der Lage zu sein scheint.

Hier noch der Link zum Urteil, das ich in den nächsten Tagen vermutlich noch besprechen werde:
http://
bit.ly/anvmbD.

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