Freitag, 21. Oktober 2016

Und sie (Andrea Nahles) bewegt sich doch beim BTHG-Entwurf? Ja, aber nur hin zu alten Ufern

Niemand, absolut niemand, kann mir bislang erklären, wie man ein "modernes Teilhabegesetz" schaffen kann, das gleichzeitig die Teilhabe von beeinträchtigten Menschen in mindestens gleicher Weise wie bislang (das #BTHG führt keinen einzigen weitergehenden Leistungsanspruch als bisher ein) absichert und dabei praktisch aufkommensneutral sein soll. Denn das muss es, wenn bereits im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CDU und SPD im Jahr 2013 steht, dass es mit dem BTHG keine wesentliche Ausgabendynamik geben darf.
Uwe Frevert hat hier dankenswerter Weise noch einmal auf die Situation nach Schaffung des Pflegeversicherungsgesetzes hingewiesen. Damals hatten wir die anfangs völlig unhaltbare Situation, dass Menschen, die einen hohen Pflegebedarf hatten, derselbe teilwiese mit abenteuerlichen Begründungen zunächst vielfach zusammen gestrichen wurde und sich die Bundesregierung letztlich nicht anders zu behelfen wusste, als auf dem Verordnungsweg eine Bestandsschutzregelung einzuführen. Gleiches bekommen wir jetzt für das Teilhaberecht wieder zu hören, wobei sich die Regierung tatsächlich erdreistet, jetzt die Hilfe zur Pflege vor Teilhabeleistungen auch noch vorrangig ausgestalten zu wollen, was letzten Endes für pflegebedürftige Menschen ein faktisches Nullsummenspiel gegenüber der momentan herrschenden Gesetzeslage bedeuten würde.
Wie wenig durchdacht muss ein Gesetzentwurf eigentlich sein, dass sich die Regierung auch hier wieder nur mit einer Bestandsschutzregelung - bislang nur angekündigt, bislang nirgendwo im Entwurf feststehend - behilft?
Wie planvoll diskriminierend muss eine Regierung eigentlich vorgehen, dass sie es selbst zu schaffen scheint, die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales im Hinblick auf die Regelungen "5 aus 9" bzw. bei assistiven Bedarfen immerhin noch "3 aus 9" zu täuschen, von denen selbst der behindertenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Uwe Schommer sagt, er könne sich nicht erklären, wie das #BMAS zu dieser Regelung gelangt sei; er vermute, dieselbe müsse entweder ausgewürfelt worden sein oder die Referenten im Ministerium müssten eine Erscheinung gehabt haben, die über sie gekommen sei?
Wie völlig verkommen muss eine Bundesregierung eigentlich sein, wenn sie jetzt durch ihre Bundesministerin für Arbeit und Soziales Andrea Nahles im Gesetzgebungsverfahren gemächlich zurück rudern lässt, obgleich die gleiche Bundesregierung noch vor wenigen Tagen mittels Pressmitteilung hat wissen lassen, mit ihr werde es überhaupt keine Änderungen am Gesetzentwurf geben?
Wie komme ich auf die außergewöhnliche starke Formulierung verkommen?
Ich hege seit Monaten, im Grunde seit dem Vorliegen des scheinbar (?) unbeabsichtigt veröffentlichten Referentenentwurfs, die These, das BMAS habe die meisten "Grausamkeiten" in diesen Gesetzentwurf ganz bewusst eingebaut. Bewusst deshalb, weil man - auch wenn man sich jetzt völlig verdutzt ob des Widerstandes gegen den Entwurf gibt - genau mit diesem Widerstand gerechnet hat (mit dem man auch nach diesem unglaublich fadenscheinigen Beteililigungsprozess, aus dem sich praktisch nichts bis auf einige Worthülsen im Entwurf wiederfindet, rechnen musste). Ich unterstelle des Ministerium: Es hat diese Grausamkeiten bewusst "eingebaut", um sie hernach in den Anhörungen un in der zweiten und dritten Lesung im Deutschen Bundestag wenigstens teilweise wieder kassieren zu können und das dann auch noch als Großtat gegenüber den betroffenen Menschen darzustellen.
Im Grunde wird die gesamte Behindertenselbsthilfe momentan - auch hier unterstelle ich: bewusst und gewollt - von der Bundesregierung am Nasenring durch die Manege geführt. Ich unterstelle: Man hat diesen Protest förmlich herbei provoziert. Was sowohl Bundesregierung als auch Bundesrat überhaupt nicht verschweigen (und das macht die Aussagen der bayerischen Sozialministerin aus den letzten Tagen so unfassbar unglaubwürdig), ist der Umstand, dass beide eine entschiedene Reduzierung der Kosten der Eingliederungshilfe anstreben. Eine solche kann es - gerade auch in Anbetracht des demografischen Faktors - aber nur dann geben, wenn man Leistungen auch bei denjenigen Menschen, die bereits solche erhalten, mehr oder minder deutlich einschränkt, indem man diesen Personenkreis beispielsweise auf Assistenzformen verweist, die eine selbstständige Lebensführung dem Grunde nach nicht mehr zulassen (denn nichts Anderes ist das Poolen letzten Endes) und das Ganze hübsch mit einer Zumutbarkeitsregelung garniert. Ja, es ist richtig, die Sozialgerichte legen die Zumutbarkeit mittlerweile intensiv aus, d.h. es gibt nicht mehr nur das Argument der Gleichrangigkeit von Kosten im Bereich der stationären gegenüber der ambulanten Versorgung, die stationäre Versogung muss auch tatsächlich zumutbar sein. Wie es aber halt so ist mit unbestimmten Rechtsbegriffen: Die Sozialleistungsverwaltung juckt das in aller Regel nicht die Bohne. Und sie kann - durch entsprechenden Druck, den auszuüben sie jederzeit in der Lage ist - durchaus Situationen schaffen, dass den Betroffenen - Zumutbarkeit hin oder her - vielfach überhaupt keine andere Wahl bleibt, als der Pooling-Lösung oder der vom Sozialleistungsträger als angemessen empfundenen Wohnform zuzustimmen. Ich sauge mir das auch nicht aus den Fingern, das ist meine nahezu tagtäglich erlebte Beratungserfahrung.
Der Kostenträger kann im Gegensatz zu den Betroffenen jederzeit auf Zeit spielen, vor Ablauf eines halben Jahres ist man juristisch ja noch nicht einmal in der Lage, in der Hauptsache Untätigkeitsklage zu erheben (und Anordnungsverfahren im einstweiligen Rechtsschutz sind - das darf man nicht vergessen - in der Prüfung immer kursorisch). Deshalb ist es schon bemerkenswert, dass man sogar von Vertretern dieser Regierungskoalition, eben und gerade auch von Vertretern dieser Bundesregierung - immer wieder auf den Rechtsweg verwiesen wird, in dem dann doch nötigenfalls geklärt werden könne, ob die Maßnahmen des Sozialleistungsträgers rechtmäßig seien. Das verkennt zum einen fundamental, dass auch die Exekutive, also die gesamte Verwaltung, durch die Verfassung an Recht und Gesetz gebunden ist (was sie aber im Sozialleistungsrecht vielfach schlichtweg nicht schert; schließlich gibt es keine einzige tatsächliche Sanktionsmöglichkeit gegenüber behördlicher Willkür außerhalb des Staatshaftungsrechts). Zum anderen konzedieren die Regierungsvertreter damit inzidenter, dass sie einige Regelungsbereiche im Entwurf selber für so schwach erachten, dass hierüber die Rechtsprechung erst ihr letztes Urteil wird fällen müssen.
Man hat rot-grün nach der Regierungsübernahme 1998 - völlig zurecht - vorgeworfen, sowohl die Gesetzgebungstätigkeit der damaligen Bundesregierung als auch in Teilbereichen ihr Verwaltungshandeln seien von einer miserablen Qualität gewesen. Was sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales allerdings mit dem BTHG-Entwurf erlaubt, was sich das Bundesministerium für Gesundheit gleichzeitig mit dem Entwurf eines Pflegestärkungsgesetzes III (PSG III) gegenüber beeinträchtigten Menschen herausnimmt, hat nur mit Dilettantismus nichts mehr zu tun.
Es ist der regeirungsseitige Versuch, ein finanzpolitisch gewolltes Spardiktat auf dem Rücken von 700.000 Leistungsmpfängern der Eingliederungshilfe auszutragen, es ist der Versuch, das Spardiktat auf dem Rücken von Leistungsempfängern der Hilfe zur Pflege auszutragen, da für diesen Personenkreis aufgrund des künftigen Vorrangs der Hilfe zur Pflege vor Teilhabeleistungen der bisherige Heranziehungsansatz für Einkommen und Vermögen verbleiben soll (gleiches gilt übrigens für die Blindenhilfe).
Vielleicht kann mir wenigstens hier irgendjemand erklären (die Vertreter der Regierungskoalition und die der Bundesregierung konnten es bislang nicht), inwiefern die Gesetzentwürfe zum BTHG und zum PSG III dem verfassungsrechtlichen Grundsatz "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden" aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und dem gesamten Wortlaut und Geist der als einfaches Recht geltenden UN-Behindertenrechtskonvention entspricht.
Die Bundesregierung schafft mit den Entwürfen des BTHG und des PSG III nicht nur eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, sondern sogar eine dreistufige. Künftig gibt es also nicht nur - wie bislang - Bürger erster Klasse, die entweder nicht beeinträchtigt sind oder beeinträchtigt sind, aber keine Leistungen der Teilhabe in Anspruch nehmen (müssen), Bürger zweiter Klasse, die Teilhabeleistungen benötigen und dieselben auch in Anspruch nehmen, es gibt dann künftig selbst bei der Gruppe der beeinträchtigten Menschen Parias, wenn sie denn auf Teilhabe und auf Pflegehilfeleistungen angewiesen sind und dieselben auch in Anspruch nehmen (müssen).
Abgesehen davon, man muss auch den Finger immer wieder in diese Wunde legen, dass es der Gesetzgeber nicht schafft, endlich ein einheitliches Teilhabesystem zu schaffen, dass den Betroffenen ermöglicht, die Leistung bei einem einzigen Teilhabeleistungsgeber abzurufen und die Ansprüche aus einer einzigen gesetzlichen Regelung verständlich nahe gebracht zu bekommen, sind dem Gesetzgeber die Angehörigen von beeinträchtigten Menschen schlichtweg egal. Es gibt viele Angehörige, die immer wieder darauf hingewiesen haben, in wie schmählicher Hinsicht sie von der Verwaltung schlicht und einfach "im Stich gelassen" werden. Das ist leider im Beteiligungsprozess schon viel zu kurz gekommen, der Regierungsentwurf nimmt sich dieser Problematik außer durch nichtssagende Rabulistik - in keiner Weise konstruktiv an.
Das ist eine schändliche Gesetzgebung, die hier versucht wird, und man ist versucht, sich - einer militärischen Tradition hier dem Star Trek-Universum entlehnt - wie die Klingonen brüsk von Meschen wie Andrea Nahles abzuwenden und ihnen mit all' der gebotenen Verachtung, die man für so ein menschenrechtsunwürdige Verhalten haben kann, nur noch den Rücken zu zeigen.

http://www.kobinet-nachrichten.org/de/1/nachrichten/34777/Bewegung-bei-Andrea-Nahles-erkennbar.htm

Sonntag, 16. Oktober 2016

"Das tut der Bund für Menschen mit Behinderung" (Eigenlob Bundesregierung) Ach ja, ist das wirklich so?

Es ist schon wirklich unglaublich, mit welcher bräsigen Selbstgefälligkeit die #Bundesregierung hier wiederholt die wahrheitswidrige Behauptung aufstellt, ihre Politik trüge den Regelungen der #Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-#BRK) weitgehend Rechnung. Der Witz ist: Darauf fallen selbst „alte Hasen“ wie die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Kerstin Girese, herein, die auf einer Veranstaltung in einer rheinischen Stadt vor einigen Tagen allen Ernstes behauptet hat, die Regel „5 aus 9“ entspräche den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Das ist richtig und gleichzeitig falsch, und mit einer derartigen Doppelzüngigkeit argumentiert diese Bundesregierung im gesamten Gesetzgebungsverfahren für ein #Bundesteilhabegesetz (#BTHG). Richtig ist es deshalb, weil im BTHG-Entwurf weitgehend die Terminologie der Internationalen Klassifikation an Beeinträchtigungen (ICH) übernommen worden ist. Das Problem ist, was die beiden Unterreferate im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (#BMAS) daraus gemacht haben.
Der eine oder die andere mag die Hintergründe dieses Gesetzgebungsverfahrens nicht kennen, deshalb dazu hier noch einmal ein Kurzabriss:
Die Bundesregierung hat durch das BMAS mehrere Monate lang bis ins vergangene Jahr hinein einen umfassenden Beteiligungsprozess mit den Betroffenenverbänden unternehmen lassen. In diesem Beteiligungsprozess wurden vermeintlich die Grundlagen für ein – wie es im Koalitionsvertrag steht – modernes Teilhabesicherungsgesetz vereinbart.
Durch Zufall (oder willentlich, so genau weiß man das nicht) ist bereits Ende letzten Jahres ein erster Referentenentwurf an die Öffentlichkeit gelangt, der – man kann das überhaupt nicht anders schreiben – auf die am Beteiligungsprozess mit involvierten betroffenen beeinträchtigten Menschen wie ein Schlag ins Gesicht gewirkt hat. Von den im Beteiligungsprozess erarbeiteten Eckpunkten fand sich praktisch überhaupt nichts in diesem Referentenentwurf wieder.
Nun kann man der im Beteiligungsprozess mit teilgenommen habenden Behindertenselbsthilfe natürlich Naivität vorwerfen, das sogar – leider – zurecht. Man hätte nur den Koalitionsvertrag zwischen #CDU/#CSU und #SPD von 2013 einmal hinlänglich lesen müssen. Dort ist ausdrücklich ausgeführt, dass die Koalitionspartner zwar ein modernes Teilhabegesetz zu schaffen beabsichtigen, allerdings – und das wird prominent dargestellt – unter strikter Begrenzung der Ausgabendynamik. Nun kann mir niemand hinreichend erklären, wie man eine Ausgabendynamik begrenzen will und gleichzeitig einen voll bedarfsdeckenden, individuellen und kostendeckenden Leistungskatalog aufrechterhalten will, zumal wenn man in Anrechnung stellt, dass der demografische Wandel die Zahl der Anspruchsteller erheblich in die Höhe schnellen lassen würde.
Ergo griff das für dieses Gesetzgebungsverfahren zuständige BMAS zu mehreren gesetzestechnischen Tricks. Zum einen wird mithilfe des Pflegestärkungsgesetzes III (PSG III) ein Vorrang der Hilfe zur Pflege vor der Teilhabeleistung der Eingliederungshilfe (die sich dann allerdings nicht mehr so nennen wird, es handelt sich ja – rabulistisch und auch noch inhaltlich falsch – vermeintlich um Teilhabe) definiert, wobei man bei der Hilfe zur Pflege die bisherigen Heranziehungsregelungen für Einkommen und Vermögen einfach auf dem bisherigen Stand belässt (also: zweifacher Eckregelsatz plus Kosten der Unterkunft plus notwendige Kosten im Rahmen von Arbeitsverhältnissen hinsichtlich des Einkommens, 2600,- € für das Vermögen; die gleichen Regelungen betreffen übrigens auch die Blindenhilfe).
Ein weiterer Trick ist die Schaffung der Regelung „5 aus 9“ bzw. „3 aus 9“ bei assistiven Leistungen. Diese Regelung besagt nichts Anderes, als dass in Zukunft in mindestens fünf Lebensbereichen ein Hllfebedarf gegeben sein muss, um überhaupt noch Teilhabeleistungen erhalten zu können. Das widerspricht in fundamentalter Weise der bisherigen sozialhilferechtlichen Regelung der umfassenden Bedarfsdeckung. Immerhin kann die Regelung für sich in Anspruch nehmen, dass sie dem Individualisierungsprinzip folgt, soweit sie künftig Lebensbereiche definiert, in denen Hilfebedarfe überhaupt geltend gemacht werden können (das Problem ist die notwendige Kumulierung mehrerer Bedarfsgruppen, um überhaupt Teilhabeleistungen erhalten zu können).
Das scheint nun sogar den Koalitionspartnern ein bisschen zu starker Tobak, zumindest haben Abgeordnete der Regierungsfraktionen hier in der Debatte bei Einbringung des Gesetzes zugesichert, hier nachbessern zu wollen.
Ein weiterer, mindestens ebenso perfider Trick, ist das sog. „Poolen“ von Leistungen.
„Poolen“ meint in diesem Zusammenhang nichts Anderes, als dass sich mehrere Assistenznehmer einen Assistenten teilen müssen. Das wird dazu führen, dass eine selbstständige Lebensführung, die sich die beeinträchtigten Menschen teilweise über Jahre hinweg erkämpft haben (es gibt Fallbeispiele, wo es Jahre gedauert hat, bis ein etwas über 20 Jahre alter Mensch aus einem Altersheim ausziehen kann, in das er auf Zuweisung des zuständigen Sozialamtes ziehen musste, weil die Assistenzleistungen dort preisgünstiger zu erbringen waren), mindestens erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht wird. Es wird dazu führen, dass bisherige selbstständige Wohnformen deshalb aufgegeben werden müssen, weil die Assistenzleistung „gepoolt“ wird.
Nun wird vonseiten der Bundesregierung zugesichert, es solle eine Bestandsschutzregelung für die bisher im Leistungsbezug stehenden Menschen geben. Ich lese nichts von einer Bestandsschutzregelung im Gesetzentwurf. Im günstigsten Fall wird es so laufen, dass sich das BMAS Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes dazu herablässt, diesbezüglich auf dem Verordnungswege tätig zu werden. Das gibt dann mutmaßlich ein ähnliches Desaster wie bei Schaffung des Pflegeversicherungsgesetzes 1994, wo manchem der betroffenen pflegebedürftigen Menschen 24-Stunden-Assistenzen zunächst teilweise bis auf vier Stunden heruntergekürzt worden sind und sich dieselben nur auf dem Klageweg zu behelfen wussten.
Ein weiteres Argument, das in diesem Zusammenhang gerne von den Befürwortern des Gesetzentwurfes vorgebracht wird, ist das der Zumutbarkeitsregelung, die von den Sozialgerichten ja doch eher extensiv ausgelegt würde. Das ist – im Großen und Ganzen – richtig, zeigt aber sehr eindrücklich, wie selbst die Befürworter des Gesetzes die Sozialleistungsverwaltung in den Kommunen und den Bundesländern tatsächlich einschätzen. Letzten Endes gibt man mit diesem Argument ja zu, dass es nach Schaffung des Gesetzes in mehr als vernachlässigbarem Umfang (und einen solchen kann es überhaupt nicht geben; es geht jedes Mal um das individuelle Schicksal eines Menschen) dazu kommen wird, dass die Sozialleistungsverwaltungen in rechtswidriger Weise Ansprüche selbst dann zunächst versagen werden, wenn dieselben bislang gewährt oder gar gerichtlich durchgesetzt worden sind. Das Argument dabei: Wir haben einen neuen Leistungsberechtigungskanon, unter den viele der Betroffenen eben überhaupt nicht mehr fallen werden.
Zwei weitere – wesentliche – Punkte will ich hier wenigstens noch kurz benennen:
Die Bundesregierung berühmt sich, dass es künftig in Werkstätten für behinderte Menschen (#WfbM) #Frauenbeauftragte geben wird.
Weder hat die Bundesregierung im vorliegenden Gesetzentwurf sich um die Problematik bemüht gesehen, die Funktion der #Werkstattbeiräte im Sinne eines Betriebsrates zu stärken (damit hätte man nämlich zum ersten Mal zugegeben, dass es sich bei der Tätigkeit von Werkstattangehörigen durchaus um eine Arbeitsleistung handelt, die dem gewöhnlichen Arbeitsrecht unterfällt), noch – und das wäre dann wirklich einmal ein Quantensprung gewesen – war sie bereit, wenigstens für diesen Bereich (zugegeben, das ist mit derjenige, der am meisten Kosten zu verursachen scheint; scheint deshalb, weil hier Kosten zugunsten von Einrichtungsträgern einfach in die Eingliederungshilfe verschoben werden, die dort weder dem Recht der Eingliederungshilfe nach noch haushaltsrechtlich in irgendeiner Form hingehören) an die Abschaffung der WfbM zu denken. Dass das möglich und finanzierbar ist, lebt uns ggw. Schweden vor. Schweden hat ein deutlich geringeres Bruttosozialprodukt je Einwohner, folglich wäre auch in Deutschland machbar, was Schweden vorlebt. Nein, man will an den Strukturen überhaupt nichts ändern, von Regierungsseite hört und liest man immer wieder, es handele sich bei der deutschen Behindertenhilfe um bewährte und erfolgreiche Strukturen. Bewährt sind diese Strukturen deshalb, weil sie der Verwaltung möglichst wenig Arbeit machen (was sie bei individueller Leistungsgewährung aber durchaus würden). Erfolgreich sind sie in keiner Weise. Wir haben eine erschreckend hohe und eigentlich völlig unerklärlich permanent steigende Anzahl an Werkstattbeschäftigten. Das kann ökonomisch nur bedeuten, dass es Einrichtungen in diesem Lande gibt (und bedauerlicherweise zählen dazu selbst die Träger der Freien Wohlfahrtspflege), die von der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in WfbM finanziell erheblich profitieren müssen.
Zuletzt: Auch daran, dass sich die Angehörigen von schwer- und schwerst beeinträchtigten Menschen sowohl in der Betreuung als auch in der Versorgung und Pflege ihre eigene Gesundheit und psychisches Wohlergehen ruinieren, weil sie die Tätigkeiten übernehmen, die eigentlich durch finanzierte Assistenzkräfte zu erbringen wären, ändert dieser Gesetzentwurf buchstäblich nichts (übrigens auch nicht der des PSG III). Man lässt diese Menschen sich buchstäblich aufopfern, mittlerweile erhält sodann die eine oder der andere für diese Tätigkeit sogar einmal einen warmen Händedruck oder gar einen Verdienstorden, an der Lebenssituation dieser Familien wird nichts geändert, weil ja auch das wieder Geld kosten würde.
Was ist das bloß für ein Staat, der sich Menschen erster, zweiter und sogar – die Angehörigen – dritter Klasse hält, durch seine Politiker in Sonntagsreden immer einmal wieder von der „Würde des Menschen“, die unser Grundgesetz für unantastbar erklärt, faseln lässt, sich auf der anderen Site aber weder um eben dieses Grundgesetz (auch und gerade nicht bei der neueren Gesetzgebung zum Behinderten-Gleichstellungsgesetz [#BGG], zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz [#AGG] und zum jetzigen Entwurf des Bundesteilhabegesetzes) noch um die mittlerweile ausgesprochen konsistente Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (#BVerfG) schert, welches den Art. 3 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (#GG) mittlerweile wörtlich auslegt, der er da lautet: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Man ersetze Niemand durch Jeder, und wir kommen der Lebenswirklichkeit deutlich näher, außer man erstreitet sich seine gesetzlich definierten Rechte vor der Rechtsprechung. Geht es eigentlich nicht noch erbärmlicher, werte Bundesregierung?

https://www.facebook.com/Bundesregierung/photos/a.769938079764597.1073741828.768905426534529/1157840634307671/?type=3&theater

Samstag, 15. Oktober 2016

Wir haben mittlerweile wieder den "Voreuthanasiestand" bei behinderten Menschen erreicht, das ist doch etwas

""Voreuthanasiestand" - immer schön dankbar sein, dass man nicht mehr umgebracht wird..." schreibt Christiane Link auf Ihrer Facebook-Seite.

Vielleicht greift das ein bisschen zu weit, aber die schiere Intention dahinter ist kaum zu leugnen. Aus Sicht der Regierung haben wir ein Luxusproblem: Es gibt zu viele beeinträchtigte Menschen die in zu umfänglichem Rahmen Ansprüche der Eingliederungshilfe geltend machen (Stand: bereits jetzt; lies nach im Koalitionsvertrag von 2013, da steht das - mittelbar - so drin). Wenn es jetzt - was uns die demografische Entwicklung ja durchaus verheißt - künftig noch mehr Anspruchsteller geben wird, bleibt der Exekutive gar nichts anderes übrig, wenn sie einen Kostendeckel haben will (UN-BRK hin oder her, das ist aus Sicht der Regierung sowieso nur Politlyrik, so zumindest der damalige Staatsskretär Franz Thönnes, der vor Jahren auf einer Veranstaltung allen Ernstes das Bonmot geprägt hat, die bundesdeutsche Sozialgesetzgebung müsse nicht geändert werden, sie entspräche bereits heute in vollem Umfang den Standards der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Ja, wenn das so ist, weshalb regen wir uns eigentlich auf.

Hier nochmal mein Beitrag, den ich eben auf Christianes Seite aufgesetzt habe.

So hat er das natürlich nicht gesagt (und vermutlich nicht einmal gemeint). Ihm ging's - so interpretiere ich den Beitrag - einfach nur ums Geld. Es ist ja offensichtlich, dass es beim #BTHG-Entwurf eigentlich ausschließlich ums Geld geht, dass man da mit ein bisschen Rabulistik noch ein wenig WHO-Rhetorik mit unterbringen kann: umso besser. Was der Vortrag von ihm allerdings hervorragend herausgearbeitet hat: Wir sind ein Kostenfaktor und - und das ist das Wesentliche, sonst würden sie sich mit der nicht weiter zu steigerdnden Ausgabendynamik nicht so dermaßen aus dem Fenster hängen, sondern genau dieses Argument versuchen, "unter dem Deckel zu halten" - wir sind ihnen jetzt schon zu teuer. Deshalb kommt zum Beispiel der Bestandsschutz auch nicht ins Gesetz, sondern allenfalls in eine Verordnung des #BMAS, weil man an einer Verordnung natürlich noch mehr herumfrickeln kann als an einem Gesetz (und vor allem wesentlich einfacher, für Verordnungen gibt es nämlich keinen Parlamentsvorbehalt). Dass allerdings selbst die Koalition mittlerweile ein Ansatz von schlechtem Gewissen erfasst hat, war in der Debatte zur Einbringung des BTHG ja überdeutlich zu spüren. Für gewöhnlich verteidigen Abgeordnete der Regierungsfraktionen ein Gesetz offensiv. Ich habe noch nie eine so defensive Argumentationshaltung erlebt wie in dieser Debatte. Vor allem das ständige "Tu quoque" (Du auch) der Regierung in Richtung Opposition in der Form, wenn ihr die Missstände im Gestz benennt, schürt ihr Ängste und kommt gerade nicht eurer demokratisch legitimierten Funktion als Opposition nach war dermaßen bemerkenswert, ich habe mich wirklich selten über Redebeiträge so aufgeregt wie über die der Abgeordneten Kerstin Tack (SPD) und Karl Schiewerling (CDU). Das war reine Abwehr- (Tack) bzw. Hassrhetorik (Schiewerling), letztere fein in rheinischen Frohsinn verpackt.

Und hier - ich kann nämlich auch lyrisch, wenn hier auch nur rezitativ - noch ein Schwank aus der Moritat von Mackie Messer von Bertold Brecht:

Und der Haifisch, der hat Zähne
Und die trägt er im Gesicht
Und Macheath, der hat ein Messer
Doch das Messer sieht man nicht.

[…]

An ’nem schönen blauen Sonntag
Liegt ein toter Mann am Strand
Und ein Mensch geht um die Ecke
Den man Mackie Messer nennt.

[…]

Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.

Samstag, 8. Oktober 2016

Schulische "Inklusion" in Hessen? Selten so gelacht!

Hier in Kassel haben wir ähnlich vielgestaltige Probleme. Das Sozialamt finanziert hier grundsätzlich nur pauschaliierte Leistungssätze, wobei es völlig gleichgültig ist, welche Beeinträchtigung das zu inkludierende Kind hat. Das Schulamt findet das völlig in Ordnung und ist nicht einmal in der Lage, den zuständigen Leistungsträger dazu zu bringen, dass er notwendige Hilfsmittel bereit stellt (und das im Bereich Schule, die ja bekanntermaßen eine Pflichtveranstaltung für alle Kinder darstellt, zumindest im Primarbereich und in dem der Sekundarstufe I, gleich welcher Schulrichtungsform). Während das Sozialamt aber nur Probleme mit der Höhe der Finanzierung und dem Umstand hat, dass man die Leistung eben auch in der Form eines Persönliches Budgets beziehen kann, macht sich das Jugendamt einen richtig schlanken Fuß, indem es nämlich ein dem Grunde nach bei der Schulverwaltung angeagerten Modell eines gestuften Verfahrens annimmt, nach dem überhaupt keine Kinder mit psychischen Beeinträchtigungen Schulassistenz erhalten, sondern deren Eltern gefälligst Leistungen der ergänzenden Erziehungshilfe in Anspruch nehmen sollen. Ausgetragen wird dieses - um nichts anderes handelt es sich - Spardiktat ausschließlich auf dem Rücken der betroffenen Eltern und deren Kinder, sogar die Verwaltungsgerichtsbarkeit spielt mit, obwohl auch in der Jugendhilfe, soweit sie Leistungen der Eingliederungshilfe erbringt, - vermutlich muss man ja schreiben: noch - der Bedarfsdeckungs-, der Individualisierungs- und der Kostendeckungsgrundsatz gelten. Schert die Einzelrichterin der 5. Kammer (dieselbe ist für Jugendhilfesachen zuständig) keinen Deut, der Antrag auf einstweilige Anordnung wird abgelehnt, auf einen Hauptsachetermin wartet man jetzt seit 15 Monaten. Ich kann es den Menschen mittlerweile nicht mehr verdenken, wenn sie wenigstens von geistiger Euthanasie sprechen, wenn eine derartige Kumpanei zwischen Verwaltung und Justiz vonstatten geht, liegt ein solcher Gedanke zumindest nicht mehr außerhalb jeglicher denktheoretischen Möglichkeit. Denn: Für die Finanzierung eines entsprechenden Platzes in einer Förderschule wäre ja der überörtliche Leistungsträger zuständig (also in jedem Fall hier in Hessen der Landeswohlfahrtsverband). Warum sich also das städtische Säckel beschweren, wenn man doch der Ansicht ist, man könne Eltern wenigstens mittelbar dazu zwingen, ihr Kind in eine Fördereinrichtung abzugeben.
Anderes Beispiel: Was macht ein Sozialamt (dabie geht es um ein anderes Kind, allerdings aus der gleichen Familie), wenn man ihm aus seiner Sicht zu renitent kommt? Richtig, es verweigert einfach die Leistung. Das geht ja jetzt nicht so ohne Weiteres, ergo muss man sich eine Begründung überlegen. An die betroffene Mutter traut man sich unmittelbar nicht heran, an das Kind sowieso nicht, ergo versucht man den Budgetbeauftragten (das bin, der interessiert Mitlesende wird es schon geahnt haben) nach Möglichkeit juristisch mundtot zu bekommen. Man unterstellt ihm also einfach Unzuverlässigkeit, Inkompetenz und Überfordertheit.
Das Interessante: Die Behörde hat fünf Monate gebraucht, bis sie überhaupt in irgendeiner Form geleistet hat (weswegen ich durch die damalige Arbeitnehmerin einen - dann auch noch vor dem Arbeitsgericht verlorenen - Prozess wegen Gehaltszahlung an den Hals bekam), sie hat mehrfach ohne irgendeine Begründung erheblich verspätet gezahlt, sie hat ein Budget so bemessen, dass man der Arbeitnehmerin mit einer vierwöchigen Kündigungsfrist zum Monatsende gar nicht hätte kündigen können (die Behörde hat das Budget einfach zur Mitte des letzten Schulmonats auslaufen lassen), sie gewährt seit August einfach kein Budget mehr.
Das heißt - irgendwer muss die Schulassistenz ja wenigstens dem Stundenumfang und der durch die Behörde gewährten Höhe nach (die keinesfalls das Entgelt für eine Sozialpädagogin umfasst, die bei einem autistischen Kind vorliegend zwingend erforderlich wäre; das sieht das Schulamt übrigens - ebenfalls begründungslos - ebenfalls anders) finanzieren. Nicht allein, dass mich das Persönliche Budget für die beiden Kinder im häuslichen Bereich nicht bereits seit knapp zwei Jahren über 5000,- € monatlich kostet, jetzt darf ich auch noch - neben den Fahrtkosten für beide Kinder, für die sich beide Ämter ebenfalls völlig unzuständig wähnen (also nochmals 600,- € monatlich) - etwas über 2000,- € für die Schulassistenz dieses Kindes aufbringen. Mit Verlaub, über 7500,- € jeden Monat, das muss man auch erst einmal haben.
Dabei, was jammere ich (ich jammere ja nicht wirklich, aber es könnte vielleicht so klingen)? Menschen, die einer 24-Stuinden-Assistenz bedürfen, haben noch viel höhere finanzielle Bedarfe, werden aber - Fallgestaltung erst gestern in dieser Form ins Haus bekommen - auch gerne einmal mit vier Stunden am Tag abgespeist. Und da redet mir der Leiter Behindertenhilfe eines rheinischen Kreises vorgestern allen Ernstes davon (wie im Übrigen auch die SPD-MdB Kerstin Griese, die den Vorsitz im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales führt), aufgrund der Zumutbarkeitsregelungen könne man ja im Zweifel gerichtlich den entsprechenden Stundenumfang (gut, in der Diskussion ging's konkret ums Poolen, aber das Prinzip ist das gleiche) durchsetzen. So, mit Verlaub, saudumm daherreden können wirklich nur Menschen, die noch nie einen solchen Bedarf über Tage, Wochen, Monate, Jahre, ihr ganzes Leben lang nötig hatten.
Man hält die Menschen - gut, bei mir funktioniert das jetzt nicht, aber versuchen kann man es ja einmal - permanent in einem gewollten Zustand des Dauerstresses und der permanenten Angst, notwendige Leistungen schon dann verlieren zu können, wenn man sie (weil sie bislang nur unzureichend oder durchaus auch einmal gar nicht gewährt worden sind) dem Umfang nach geltend macht, den man tatsächlich benötigt. Es findet eine gewollte Abwärtsspirale umgekehrt des Fleischeireifachverkaufspersonalsprinzips des "Darf's noch ein bisschen mehr sein?" statt. Jede/r Kämmerer/-in wäre froh, wenn sie oder er uns sämtlich los wäre, weil dann der kommunale Haushalt auf einmal erstrahlen und erblühen würde.
Wenn vonseiten der Politik unentwegt von gleichberechtigter Teilhabe die Rede ist, kann es einfach nicht sien, dass die Inklusion, die Barrierefreiheit, die Nachteilsausgleiche regelmäßig dort enden, wo sie Geld kosten und aus Steuermitteln finanziert werden müssen. Jedes Integrationsamt erzählt einem spätestens im Oktober jeden Jahres, im ginge das Geld aus, weil sich die Integrationsleistungen auf dem Arbeitsmarkt weitgehend aus der Ausgleichsabgabe finanzieren. Genau wie hier der Fiskus notfalls nachschießt, muss er das eben bei sämtlichen anderen Leistungen der Teilhabe auch tun.
Oder die Politik wird endlich ehrlich und gibt zu, dass es - finanziell und folglich inklusiv betrachtet (Inklusion kostet nun einmal in aller Regel Geld, und - überhaupt nicht in Abrede zu stellen - nicht zu knapp) - in Deutschland bereits jetzt eine Zwei-Klassen-Gesellschaft der Haben-Dürfenden Nicht-Beeinträchtigten, der demnächst ein wenig Haben-Dürfenden Beeinträchtigten, die berufstätig sind und der überhaupt Nichts-Haben-Dürfenden und deren Angehörigen, die nicht berufstätig sind, gibt und dass die Regierung sich völlig außerstande sieht, den Höchststeuersatz im Einkommensteuerrecht um zwei bis drei Prozentpunkte anzuheben oder die Verbrauchssteuern um einen Prozentpunkt aufwärts zu schrauben, weil: Zum einen träfe das ja die "Leistungsträger" dieser Gesellschaft, zum anderen: Wo kämen wir denn da hin, wenn sich Solidarität jetzt auch noch im Geldbeutel bemerkbar machen würde und die Gesamtbevölkerung tatsächlich auch finanziel dem Grundsatz huldigen müsste, dass "niemand ... wegen seiner Behinderung benachteiligt werden" darf. Aber, dann müsste man ja einmal politisch Tacheles reden, und, sind wir ehrlich - vor allem, wenn man mit Politikern unmittelbar diskutiert - wer will das denn schon? Wir? Na gut, aber für die paar hunderttausend Menschen im Eingliederungshilfebezug lohnt sich doch eine ernsthafte Diskussion, die unterhalb von Bäumen, auf denen die Betroffenen ja vor lauter Angst sitzen, seitdem sie in der ersten Lesung im Bundestag von Grünen und Linken so kirre vor Angst gemacht worden sind, dass sie's auf dem Erdboden gar nicht mehr aushalten, gar nicht. Zehn Millionen Schwerbehinderte, die sämtlich ein Recht auf benachteiligungsfreie Teilhabe als Menschenrecht haben. Wie würde Hilmar Kopper, vormaliger Sprecher des Vorstandes der Deutschen Bank, jetzt vermutlich sagen: Peanuts.

http://www.kobinet-nachrichten.org/de/1/nachrichten/34701/Schulinklusion-in-Frankfurt-mangelhaft.htm/////#comments

#Behinderung: Wir sollten keine Veranstaltungen mehr besuchen, auf denen wir nur als Staffage dienen

Wie eigentlich regelmäßig: Man kann den Ausführungen von Christiane Link nur in vollem Umfang zustimmen. Solange wir nicht als tatsächlich Gleichberechtigte auf Augenhöhe mit betetiligt werden, sollten wir auch passiv Veranstaltungen, die sich mit den uns anlangenden Themen beschäftigen, dem Grunde nach boykottieren.
Ich habe momentan z.B. das gestern hier beschriebene Problem, dass ich jetzt nicht weiß, ob ich mir die Veranstaltung zum Bundesteilhabegesetz als Generalthema des Deutschen Sozialgerichtstages Anfang November wirklich "antun" soll. Nachdem ich gesehen hatte, dass dort kein Betroffener bei der dort am Schlusstag der Veranstaltung stattindenden Podiumsdiskussion mit auf dem Podium sitzt, habe ich beim Geschäftsführer des Verbandes nachgefragt, ob man denn nicht einen solchen dort platzieren könne. Als Antwort bekam ich gestern von der Präsidentin des Verbandes zu lesen, man beabsichtige nicht, das Podium zu erweitern, ich könne mich ja aus dem Publikum heraus beteiligen. Darüber habe ich mich dermaßen geärgert (nicht deswegen, weil ich dort nicht auf dem Podium sitzen werden, sondern weil mit schnöder Arroganz das Thema einfach abgebügelt worden ist), dass ich der Präsidentin den folgenden Brief geschrieben habe:

"-------- Weitergeleitete Nachricht --------
Betreff: mein Gz.: 005.40 - 19.16.dsgt.po.präs.pa - 16.04 (DSGT-Generalthema 2016); hier: Ihr E-Mail-Anschreiben vom 07.10.2016
Datum: Fri, 7 Oct 2016 15:26:35 +0200
Von: Alexander Drewes
An: Monika Paulat, Deutscher Sozialgerichtstag e.V. (Potsdam), Präsidentin
Kopie (CC): Johannes Graf von Pfeil, Deutscher Sozialgerichtstag e.V. (Potsdam), Geschäftsführer

Sehr geehrte Frau Paulat,

Ihre Entscheidung, überhaupt keinen sachverständigen Betroffenen bei der
Podiumsdiskussion zuzulassen, ist - gelinde gesagt - enttäuschend. Von
mir als an Taubheit grenzendem Hörbeinträchtigten und Blinden zu
verlangen, ich könne mich ja vermittels des Auditoriums in eine solche
Veranstaltung einbringen, zeigt eindrücklich, dass Ihre Kenntnisse
zumindest im Hinblick auf das erste Beeinträchtigungsbild nicht sehr
umfassend sein können.

Wie auch immer, mir geht es vorliegend überhaupt nicht um die eigene
Person. Wir erleben ggw. einen - vermutlich in der Öffentlichkeit, weil
kaum medial publiziert, gar nicht wahrgenommenen - Sturm der Entrüstung
bei praktisch sämtlichen Betroffenenverbänden, bei der freien
Wohlfahrtspflege, bei den Gewerkschaften und eben bei einer Vielzahl von
Betroffenen (erst vorgestern war ich auf einer Demonstration in
Düsseldorf gegen das BTHG, an der immerhin - für diesen Personenkreis
ist das eine unglaublich hohe Zahl - 2500 Menschen teilgenommen haben.
Bei einer Veranstaltung in Hannover in der letzten Woche waren es 7000).
Es hätte sich - gerade in Anbetracht dessen, dass sich der Verband im
Gegensatz zur "Konkurrenz" als auch nach nicht-juristischen Seiten hin
als ausgesprochen progressiv darstellt - aus meiner Sicht einfach
gehört, hier einen fachkundigen selbst Betroffenen mit zu Wort kommen zu
lassen. Nicht umsonst hat sich seit der Ratifizierung der
UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) die These "Nicht über uns, nicht
ohne uns" in der behindertenpolitischen Debatte durchgesetzt (die leider
immer noch viel zu sehr eine sozialrechtliche und medizinisch
intendierte Debatte ist und den menschenrechtlichen Ansatz der UN-BRK
weitgehend aus dem Blickfeld vergisst). Sie haben mit Fr. Kocaj als
Vertreterin des Landkriestages Brandenburg jemanden auf dem Podium
sitzen, die eindeutig Partei ist. Wenn Sie schon keine/n Betroffene/n
auf dem Podium sitzen haben wollen, hätte doch wenigstens der Gedanke
nahe gelegen, mindestens eine/n Vertreter/in der Freien Wohlfahrtspflege
einzuladen. Hier "nur" jemanden vonseiten des DGB sitzen zu haben, gibt
der Diskussion - mit Verlaub - eine eindeutig intendierte Richtung. Das
ist ausdrücklich zu bedauern.

Ich bin ein wenig enttäuscht, dass sich ein Verband wie der Deutsche
Sozialgerichtstag bei einem derart sensiblen Thema augenscheinlich
dermaßen wenig Gedanken gemacht hat. Sie wissen selber genau, dass eine
Festansprache schon vom Anspruch und der kritischen Hinterfragung her
ein völlig anderes Sujet darstellt als eine Fachdiskussion mit
denjenigen, die mit wesentlich dazu beigetragen haben, dass der Entwurf
durch die Betroffenen vielfach als ein solches Desaster empfunden wird;
diese Meinung teile ich.

Wenn es Ihnen also im Hinblick auf meine Person an der hinreichenden
Prominenz ermangelt, hätte man ja eine/n Betroffene/n suchen können, der
diesem Maßstab gerecht wird.

Wie auch immer, es ist nicht meine Entscheidung, sondern die Ihre.

Hinsichtlich der künftigen Teilnahme an einer der Kommissionen tue ich
mich - ehrlich gesagt - erheblich schwer. Behindertenrechtliche
Schwerpunkte (nicht umsonst bin ich ein großer Befürworter eines
eigenständigen Leistungsgesetzes für beeinträchtigte Menschen, das sich
dann auch der Probleme aus dem SGB'n II, III, V, VI, VIII, XI und XII
annehmen würde) finden sich so vielgestaltig, dass man dafür (die
Kommission das Schwerbehindertenrecht betreffend "kümmert" sich ja wohl
überwiegend um Materien aus dem SGB IX; das reicht aber eben bei Weitem
nicht hin, dazu ist das Behindertenrecht viel zu komplex und in zu
vielen Rechtsgebieten verortet, als dass selbst Experten hier häufiger
Schwierigkeiten haben) dem Grunde nach eine eigenständige Kommission
begründen müsste.

Wir können uns gerne auf dem DSGT austauschen, gleichwohl ich nach Ihren
Ausführungen durchaus das Gefühl habe, nicht wirklich im richtigen
Verband verortet zu sein (zugegeben, die Konkurrenz gibt sich ja noch
elitärer und ausschließlich auf die Gerichtsbarkeit bezogen. Aber ich
muss ehrlich konzedieren, die fehlende Flexibiltät, die aus Ihrem
Anschreiben spricht, hat mich durchaus enttäuscht).

Mit freundlichem Gruß

Alexander Drewes, LL.M."

Unten der - sehr lesenswerte Beitrag - von Christiane Link.

http://blog.zeit.de/stufenlos/2016/10/04/irgendwas-mit-inklusion-ohne-behinderte-menschen/

#Bundesteilhabegesetz (#BTHG): Das #BMAS in seinem (Werbe-)Lauf halten durchaus auch Ochs und Esel auf

Mit welcher Chuzpe das #BMAS jetzt versucht, eine wahrheitswidrige Umdeutung des Entwurfs des #BTHG vorzunehmen, kann einen im Grunde nicht mehr sonderlich wundern, der oder die Andrea Nahles in der Debatte zur Einbringung des Gesetzes vor etwas mehr als zwei Wochen gehört hat. "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten", "Es wird blühende Landschaften ... geben", "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind", "Nimenadem wird es schlechter gehen, aber vielen besser". Zugegeben, bis auf die letzte Aussage sind die drei ersten in der Debatte so nicht gefallen, aber die dahinter stehende Lüge hat eine mindestens so lange Pinocchio-Holznase wie die vormaligen Aussagen von Walter Ulbricht, Helmut Kohl und Uwe Barschel. Man knausert, man spart, man will juristisch Leistungen einschränken (auch die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales, Kerstin Griese, konnte mir am Donnerstag auf einer Veranstaltung in einer kleinen nahe bei Düsseldorf liegenden Stadt nicht erklären, wie der Bestandsschutz für die bislang Leistungen Erhaltenden eigentlich gewährleistet werden soll (auf meinen diesbezüglichen Hinweis ist sie erst gar nicht eingegangen, obwohl ich das Desaster in 1994 bei Schaffung des Pflegeversicherungsgesetzes doch recht farbig beschreiben habe). Sie könnten die Finanzierung, an der letztlich alles hängt, durchaus sicherstellen, sie wollen es einfach nicht. Die "Schwarze Null" (nein, ich schreibe jetzt nicht von einem Unionspolitiker, sondern von der Staatszielsetzung, künftig ohne neue Schulden der öffentlichen Hand auskommen zu wollen) ist, das muss man so deutlich schreiben, mittlerweile das sozialpolitische Credo schlechthin. So wird auch verständlich, warum zunächst nicht einmal die Bestandsschutzregelung ins Gesetz soll, so wird auch verständlich, warum die Bundesregierung beinhart auf dem Prinzip besteht, sie bringe dieses Gesetze entweder wie von ihr vorgelegt oder eben überhaupt nicht durchs Parlament.
Ich lese immer von den Auguren der Koalition, Andrea Nahles habe sich monatelang für konkret diesen Gesetzentwurf „ins Zeug gelegt“. Nun ist Fr. Nahles mindestens sozialpoliitisch ja nicht völlig unbeleckt, Sozialpolitik war immer einer ihrer politischen Schwerpunkte. Das heißt, die Frau weiß sehr genau, wovon sie redet, wenn sie der Öffentlichkeit (bei den Betroffenen schafft sie das ja zunehmend nicht mehr) weis zu machen sucht, das BTHG stelle in seiner Substanz einen wesentlichen behindertenpolitischen Fortschritt dar.
Das stimmt, es stellt – rein terminologisch – einen wesentlichen Fortschritt dar, indem es die menschenrechtliche Sichtweise im Gesetz sprachlich darstellt, in der gesamten Leistungsausgestaltung allerdings selbst weit hinter den ersten Teil des SGB IX zurückweicht. Nicht umsonst lästere ich nahezu unentwegt, dass mit der Schaffung des BTHG das Fürsorgeprinzip wieder eingeführt wird, weil z.B. nach Zumutbarkeitskriterien „gepoolt“ werden darf, natürlich – so meint auch Fr. Griese – nur mit Einveständnis der Betroffenen. Wie dieses „Einverständnis“ aussieht, kann ich mir jetzt schon illustriert vorstellen. Die Leistungsträger werden das „Einverständnis“ schon dadurch bewirken, dass sie den Betroffenen klarmachen, wenn er denn nicht einwillige, bekomme er eben überhaupt keine Leistungen, er könne ja klagen.
Nein, ich kotze nicht, mir wird nicht einmal schlecht. Aber in mir erwacht eine Kampfeslust, wie ich sie seit Jahren nicht mehr verspürt habe.
Lasst sie dieses Gesetz so beschließen, wie es jetzt eingebracht worden ist und wir machen sie juristisch nach Strich und Faden fertig. Dieser Gesetzentwurf ist dermaßen verfassungs-, behindertenrechtskonventions- und menschenrechtswidrig, selbst wenn wir sie in den Fachgerichtsbarkeiten nicht zu fassen bekommen sollten, weil nach wie vor so manches Fachgericht sowohl das Grundgesetz als auch die UN-Behindertenrechtskonvention eher als Sonntagsprosa denn als Rechtsanspruch ansieht, auf verfassungsrechtlicher Ebene (und Gerhard Bartz hat vollkommen recht, dass er auch uns selbst betroffene Juristen schilt, dass wir damit nicht viel intensiver hantieren würden) bekommen wir dieses Gesetz kurz und klein dekliniert.
Auch so bringen wir zum Ausdruck: Das BTHG in dieser Form ist #NichtmeinGesetz.


Der Link zum Beitrag auf den kobinet-Nachrichten: http://bit.ly/2e1N9xo.

Freitag, 7. Oktober 2016

Bundesteilhabegesetz: Sie nehmen uns einfach nicht ernst. "Nicht über uns, nicht ohne uns?" Vergiss es!


Ich hatte mir die Mühe gemacht, auf die Demo in Düsseldorf zu gehen, die vom PARITÄTISCHEN und u.a. der Lebenshilfe vorgestern (also am 05.10.2016) organisiert worden ist.
Selten habe ich bei einer Demonstration so dermaßen das Gefühl gehabt, dass diejenigen, die mit beeinträchtigten Menschen (und nicht zu wenig) Geld verdienen, dieselben dazu missbrauchen, um ihre eigenen Pfründe zu sichern. Man ließ die Leute unentwegt "#Teilhabe" brüllen, völlig sinn- und zweckfrei, die Vorträge müssen dermaßen unterirdisch gewesen sein (ich habe akustisch - ich bin fast verscuht zu schreiben: natürlich - kein Wort verstanden), dass ich es den Kollegen in "meinem" Kompetenzzentrum im Nachhinein nicht einmal verdenken kann, dass sie nicht da gewesen sind. Das #Bundesteilhabegesetz (#BTHG) hat mit Teilhabe weitgehend nichts zu tun, von Inklusion reden mittlerweile überwiegend diejenigen, die die Leistungen, die bislang schon himmelschreiend ungerecht verteilt werden, gerne noch ein wenig ungerechter (man nehme es denjenigen, die noch etwas bekommen und sehe zu, dass der Zustand bei diejenigen, die bislang eh' schon nichts oder viel zu wenig bekommen, sich auch bloß nicht ändere).
Ich hatte gestern das Vergnügen, ein kontroverses Gespräch mit der Vorsitzenden des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Bundestag, Kerstin Griese, führen zu können. Einmal abgesehen davon, dass ich bislang noch nicht wusste, dass man die Regierung schon dann beleidigt, wenn man einen Gesetzentwurf inhaltlich kritisiert. Und ich habe das gestern ausschließlich sachlich getan, die einzige Polemik, die ich mir am Schluss geleistet habe, war diejenige, gesagt zu haben, beim BTHG handele es sich nicht nur um alten, sondern sogar um vergorenen Wein in neuen Schläuchen. Zu der Veranstaltung gestern in einer rheinischen Stadt war übrigens wohl kein/e Betroffene/r eingeladen worden, dass ich daran teilgenommen habe, war dem Umstand geschuldet, dass mein Arbeitgeber wollte, dass ich diesem Termin mit wahrnehme.

Die Koalition merkt nicht einmal (na gut, sie will es einfach nicht merken), dass sie mit diesem Entwurf fundamental an den Bedürfnisses von Betroffenen und Angehörigen vorbei operiert. Und den ja umfänglich belegbaren Vorwurf, es handele sich beim BTHG um ein Spargesetz, empfinden praktisch sämtliche Abgeordnete von #SPD, #CDU und #CSU als persönliche Beleidigung (auch von wie sie vom Gesetzesinhalt keine blasse Ahnung haben). #Inklusion wird als Terminus mittlerweile hauptsächlich von denen benutzt, die davon entweder überhaupt keine Ahnung haben oder den Begriff bewusst für ihre eigenen Zielsetzungen, die - Achtung: Sarkasmus - erstaunlicherweise regelmäßig separierende oder segregative Lösungen vorsehen.
Nur ein Beispiel, dass der Slogan "Nicht über uns, nicht ohne uns" - auch hier ist man versucht, fatalistisch zu schreiben: natürlich - zu einer hohlen Phrase verkommt: Anfang November hält der Deutsche Sozialgerichtstag (DSGT) in Potsdam seine jährliche Sitzung ab. Auf der abschließenden Podiumsdiskussion sitzen Vertreter des Brandenburger Landkreistages, des DGB, des Bundesverbandes der Arbeitgeberverbände (BDA) und ein Richter des LSG Baden-Württemberg. Auf mein Ansinnen, dann zur Not doch jemanden wie mich mit aufs Podium zu setzen, damit die Betroffenen, um die es in diesem Gesetz ja wohl weitgehend gehen sollte, wenigstens eine einzige Stimme dort hätten, hat mir die Präsidentin des Verbandes heute höchstpersönlich mitgeteilt, man anerkenne durchaus meine fachliche Kompetenz, sehe aber nicht, weshalb man das Podium umbesetzen solle, ich könne mich ja mit Zwischenfragen und Statements aus dem Publikum äußern. Ich habe der Dame dann zurückgeschrieben, dass ich das Ansinnen durchaus nicht an meiner Person festmache, ich es aber für einen Skandal hielte, wie sie damit insgesamt umginge. Ach ja, mitspielen darf ich dann künftig auch: Ich soll einer der Kommissionen des Verbandes beitreten. Denn letztlich geht es Regierung und wesentlichen Protagonisten in dieser Gesellschaft ausschließlich darum: Wir dürfen ab und an ein wenig mitspielen. Sobald wir in irgendeiner Weise anfangen, finanzielle oder sonstige Interessen zu stören oder gar Beteiligungsrechte einfordern (ganz zu schweigen davon, dass man als Angehöriger beeinträchtigter Menschen sogar bei den Betroffenen allenfalls als Nischenthema wahrgenommen wird), wird uns in aller Deutlichkeit aufgezeigt, was der Art. 3 Abs. 3 Satz 2 #Grundgesetz (#GG) und die gesamten Normen der #Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) in Wahrheit wert sind: nicht einmal das Papier, auf dem sie stehen. Für die Verwaltung verkommt die "Teilhabe" behinderter Menschen zum bloßen, erstere in keiner Weise wirklich interessierenden Programmsatz. So hat mir gestern der Abteilungsleiter Behindertenhilfe eines nordrhein-westfälischen Kreissozialamtes allen Ernstes gesagt, er wirsse überhaupt nicht, warum ich mich über das Poolen so aufregen würde, das Ganze sei doch an eine strikte Zumutbarkeitsregelung geknüpft, die von den Gerichten doch sehr extensiv ausgelegt werden: Ich wusste nicht, ob ich in Kenntnis regelmäßigen Verwaltungshandeln von Sozialhilfeverwaltungen ob dieser Aussage weinen oder lachen sollte. Dass die Verwaltung dem Gesetzgeber hier nach dem Munde redet, weil der Gesetzgeber legislatorisch exakt das exekutiert, was die Verwaltung seit Jahr und Tag von ihm fordert (nämlich in Wahrheit die Ausdehnung des Ermessens vom pflichtgemäßen auf ein allgemeines), nimmt man vonseiten des Gesetzgebers nicht nur hin, ich hatte gestern überdeutlich den Eindruck: genau das ist so und nicht anders gewollt. Auch wenn Fr. Griese gestern meinte, die Fundamentalopposition gegen das Gesetz lege sich allmählich, kann ich ihr nur entgegenhalten: Auch bei den Konzessionen, die die Koalition jetzt bereit ist, zu gewähren (Näheres kann ich hier nicht ausführen, hier wurde Vertraulichkeit vereinbart), ist das #NichtmeinGesetz. Nie und nimmer kann man einem solchen Gesetz sehenden Auges guten Gewissens zustimmen, wenn man selber beeinträchtigte Angehörige hat oder sich mindestens dessen bewusst ist, dass man jeden Tag som Schicksal getroffen zur oder zum selbst Betroffenen werden kann. Und dann ist kaum jemand ind er luxuriösen Lage des Bundesfinanzministers, dass er oder sie sich durch Bodyguards durch die Gegend tragen lassen kann, wenn Hilfebedarf besteht und Barrierefreiheit nicht vorhanden ist.
Es kotzt mich mittlerweile einfach an, dass man dieses BTHG im Grunde ausschließlich unter fiskal- und finanzpolitischen Gesichtspunkten betrachten MUSS. Die paar wenigen positiven Inhalte, die das Gesetz strukturell ja durchaus auch hat (die Grausamkeiten überwiegen aber bei Weitem), kann man im Grunde gar nicht mehr zur Sprache bringen, ohne dass einem die Hand an der Tastatur verdorren möge, ein Gesetz auch nur ansatzweise loben zu sollen, dass in seiner gesamten Grundkonstruktion den legalistischen Versuch darstellt, Teilhabe (oder gar tatsächliche Inklusion) nicht nur nicht entstehen oder sich ausbreiten zu lassen, sondern der von seiner Grundidee her - vorgebliches inklusives Wortgeklingel hin oder her - zu den Ursprüngen des Fürsorgerechts zurückkehren möchte. Beeinträchtigte Menschen sollen gefälligst keine Rechtsansprüche durchsetzen können, sie sollen schön "Bitte, bitte" machen, dann gibt's vielleicht auch ein klein bisschen - natürlich nicht die wirklich notwendige und umfassende, wo kämen wir denn da hin - Hilfe- oder Assistenzleistung. Motto: Reden kann man über alles, bloß: Mehr als Peanuts darf's nicht kosten. Dass Inklusion, dass Teilhabe, dass Barrierefreiheit nur dann zu haben ist, wenn man hinter diesen Ideen auch tatsächlich steckt, ich bekomme immer mehr das Gefühl, werden die Ministerialen und Abgeordneten erst dann verstehen, wenn sie den Versuch von Raul Krauthausen nachvollzogen haben und als beeinträchtigte Menschen mal einige Tage oder Wochen als Nutzer ein Altersheim besuchen.