Samstag, 27. März 2010

Die CDU Rheinland-Pfalz vollführt den schlimmsten bildungspol. Roll-Back-Versuch der letzten 30 Jahre bei behinderten Kindern

In Rheinland-Pfalz wurde vor wenigen Tagen ein Aktionsplan (der ersten auf der Ebene der Bundesländer) zur Realisierung der UN-Behindertenrechtskonvention veröffentlicht (der Link zum Aktionsplan...: http://bit.ly/aKwjEM). Neben viel Lob gab es auch Kritik der rheinland-pfälzischen CDU-Landtagsfraktion. Da ich den daraus folgenden Antrag an den rheinland-pfälzischen Landtag überaus brillant fand, konnte ich es mir nicht verkneifen, dazu einen Kommentar zu verfassen:

Die rheinland-pfälzische CDU-Landtagsfraktion hat -natürlich - recht mit ihrer Besorgnis. Und in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen ist auch alles viel, viel besser gelöst als in einem Bundesland, dass sich berühmen darf, den agilsten Landes-Behindertenbeauftragten in ganz Deutschland zu haben. Hr. Miles-Paul macht - natürlich - nur heiße Luft, der Aktionsplan ist eine einzige Katastrophe, man muss sich geradehin schämen, das Papier auch
nur durchzulesen, so substanzlos liest es sich.
Aber mal im Ernst: Wie erbärmlich und wie herunter gekommen muss eine Fraktion eigentlich sein, um ihre sozial- und bildungspolitischen Sprecherinnen einen derartigen Blödsinn vom Stapel lassen zu müssen?
Während man in Rheinland-Pfalz immerhin konstatieren kann, dass Inklusion dort, vielleicht in teilweise arg kleinen Schritten, aber immerhin!, gelebt, propagiert und auch initialisiert wird (die Mühen der Ebene sind eben lang und es war uns allen klar, dass nicht sofort alles erreichbar sein würde) darf Baden-Württemberg seit Jahren als das behindertenpolitische rückständigste Bundesland in Deutschland gelten (mit knappem Vorsprung wohl auf den Freistaat Sachsen). Auch in Nordrhein-Westfalen muss man Fr. Sommer (die Kultusministerin dort heißt wirklich so) auch im Frühjahr, im Herbst und im Winter und nicht nur sommers "zum Jagen tragen". Wenn dort bildungspolitisch überhaupt etwas passiert, dann ausschließlich aufgrund von Initiativen, die nicht von der Koalition aus CDU und FDP kommen (die Elterninitiativen in NRW sind z.B. ausgesprochen rührig).

Die Forderungen der CDU-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag lesen sich demnach auch wie ein Revival der Behindertenpolitik aus den 1970er Jahren: vollständiger Erhalt der Förderschulen und Zementierung dieses "Angebotes" durch die darüber hinausgehende Schaffung von sog. Kompetenzzentren (stimmt, Kompetenz wäre dort mal dringend vonnöten), schulische Inklusion nur dann, wenn es der segregativen Förderpädagogik frommt, man erfrecht sich auch nicht, jetzt auf einmal von Qualitätskriterien zu schreiben, wobei dieser Topos
in der Förderpädagogik der letzten Jahrzehnte nun wirklich eine absolut nachrangige Rolle gespielt hat (und der Themenkomplex der Schaffung quantifizierbarer Qualitätsstandards überhaupt erst mit der Diskussion über die schulische Inklusion ein Thema geworden ist; nun würde es nämlich auf einmal tatsächlich erforderlich werden, dass die sonderpädagogischen Zentren sich einem Qualitätsmaßstab stellen, den sie bis dato nicht einmal in Ansätzen erfüllt haben), die Schaffung eines berufsqualifizierenden Förderschulabschlusses (das wäre dann ein
Abschluss nicht mehr nur zweiter, sondern vierter oder fünfter Klasse; kein einziger Förderschüler würde mit einem solchen Abschluss eine hinreichende Berufsausbildung antreten können). Der einzige Punkt, der sich wenigstens halbwegs vernünftig liest, betrifft zwingend notwendige Fortbildungen für Lehrkräfte an Fördereinrichtungen (vielleicht hilft's ja was).
Mit einem Satz: Dieser Antrag ist der schlimmste bildungspolitische roll-back in der Schulpolitik für behinderte Menschen, den ich in den letzten Jahren gelesen habe. Der Antrag ist ein Skandal ohnegleichen.

Wenn das ernstlich die Bildungspolitik der Union sein soll, halte ich die Christdemokraten aus bildungspolitischer Sicht für nicht mehr wählbar.
Wie erbärmlich die Kritik der Union am rheinland-pfälzischen Aktionsplan ist, zeigt sich eindrücklich daran, dass sich der Antrag der Union (und dem Grunde nach auch ihre Kritik, substanzielles konnte ich ansonsten daraus nicht lesen) _ausschließlich_ bildungspolitisch
begründet wird. Begründet hat diesen Antrag augenscheinlich auch nicht die Fraktion, ich unterstelle, dass die Fördereinrichtungen hier massiven Lobbyeinfluss geltend gemacht haben. Anders ist ein solch wirklich dümmlicher Antrag kaum begründbar.
Ach ja, hier noch der Link zum Antrag der CDU-Fraktion: http://bit.ly/aKwjEM.

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