Samstag, 15. Oktober 2016

Wir haben mittlerweile wieder den "Voreuthanasiestand" bei behinderten Menschen erreicht, das ist doch etwas

""Voreuthanasiestand" - immer schön dankbar sein, dass man nicht mehr umgebracht wird..." schreibt Christiane Link auf Ihrer Facebook-Seite.

Vielleicht greift das ein bisschen zu weit, aber die schiere Intention dahinter ist kaum zu leugnen. Aus Sicht der Regierung haben wir ein Luxusproblem: Es gibt zu viele beeinträchtigte Menschen die in zu umfänglichem Rahmen Ansprüche der Eingliederungshilfe geltend machen (Stand: bereits jetzt; lies nach im Koalitionsvertrag von 2013, da steht das - mittelbar - so drin). Wenn es jetzt - was uns die demografische Entwicklung ja durchaus verheißt - künftig noch mehr Anspruchsteller geben wird, bleibt der Exekutive gar nichts anderes übrig, wenn sie einen Kostendeckel haben will (UN-BRK hin oder her, das ist aus Sicht der Regierung sowieso nur Politlyrik, so zumindest der damalige Staatsskretär Franz Thönnes, der vor Jahren auf einer Veranstaltung allen Ernstes das Bonmot geprägt hat, die bundesdeutsche Sozialgesetzgebung müsse nicht geändert werden, sie entspräche bereits heute in vollem Umfang den Standards der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Ja, wenn das so ist, weshalb regen wir uns eigentlich auf.

Hier nochmal mein Beitrag, den ich eben auf Christianes Seite aufgesetzt habe.

So hat er das natürlich nicht gesagt (und vermutlich nicht einmal gemeint). Ihm ging's - so interpretiere ich den Beitrag - einfach nur ums Geld. Es ist ja offensichtlich, dass es beim #BTHG-Entwurf eigentlich ausschließlich ums Geld geht, dass man da mit ein bisschen Rabulistik noch ein wenig WHO-Rhetorik mit unterbringen kann: umso besser. Was der Vortrag von ihm allerdings hervorragend herausgearbeitet hat: Wir sind ein Kostenfaktor und - und das ist das Wesentliche, sonst würden sie sich mit der nicht weiter zu steigerdnden Ausgabendynamik nicht so dermaßen aus dem Fenster hängen, sondern genau dieses Argument versuchen, "unter dem Deckel zu halten" - wir sind ihnen jetzt schon zu teuer. Deshalb kommt zum Beispiel der Bestandsschutz auch nicht ins Gesetz, sondern allenfalls in eine Verordnung des #BMAS, weil man an einer Verordnung natürlich noch mehr herumfrickeln kann als an einem Gesetz (und vor allem wesentlich einfacher, für Verordnungen gibt es nämlich keinen Parlamentsvorbehalt). Dass allerdings selbst die Koalition mittlerweile ein Ansatz von schlechtem Gewissen erfasst hat, war in der Debatte zur Einbringung des BTHG ja überdeutlich zu spüren. Für gewöhnlich verteidigen Abgeordnete der Regierungsfraktionen ein Gesetz offensiv. Ich habe noch nie eine so defensive Argumentationshaltung erlebt wie in dieser Debatte. Vor allem das ständige "Tu quoque" (Du auch) der Regierung in Richtung Opposition in der Form, wenn ihr die Missstände im Gestz benennt, schürt ihr Ängste und kommt gerade nicht eurer demokratisch legitimierten Funktion als Opposition nach war dermaßen bemerkenswert, ich habe mich wirklich selten über Redebeiträge so aufgeregt wie über die der Abgeordneten Kerstin Tack (SPD) und Karl Schiewerling (CDU). Das war reine Abwehr- (Tack) bzw. Hassrhetorik (Schiewerling), letztere fein in rheinischen Frohsinn verpackt.

Und hier - ich kann nämlich auch lyrisch, wenn hier auch nur rezitativ - noch ein Schwank aus der Moritat von Mackie Messer von Bertold Brecht:

Und der Haifisch, der hat Zähne
Und die trägt er im Gesicht
Und Macheath, der hat ein Messer
Doch das Messer sieht man nicht.

[…]

An ’nem schönen blauen Sonntag
Liegt ein toter Mann am Strand
Und ein Mensch geht um die Ecke
Den man Mackie Messer nennt.

[…]

Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.

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