Hier in Kassel haben wir ähnlich vielgestaltige Probleme. Das Sozialamt finanziert hier grundsätzlich nur pauschaliierte Leistungssätze, wobei es völlig gleichgültig ist, welche Beeinträchtigung das zu inkludierende Kind hat. Das Schulamt findet das völlig in Ordnung und ist nicht einmal in der Lage, den zuständigen Leistungsträger dazu zu bringen, dass er notwendige Hilfsmittel bereit stellt (und das im Bereich Schule, die ja bekanntermaßen eine Pflichtveranstaltung für alle Kinder darstellt, zumindest im Primarbereich und in dem der Sekundarstufe I, gleich welcher Schulrichtungsform). Während das Sozialamt aber nur Probleme mit der Höhe der Finanzierung und dem Umstand hat, dass man die Leistung eben auch in der Form eines Persönliches Budgets beziehen kann, macht sich das Jugendamt einen richtig schlanken Fuß, indem es nämlich ein dem Grunde nach bei der Schulverwaltung angeagerten Modell eines gestuften Verfahrens annimmt, nach dem überhaupt keine Kinder mit psychischen Beeinträchtigungen Schulassistenz erhalten, sondern deren Eltern gefälligst Leistungen der ergänzenden Erziehungshilfe in Anspruch nehmen sollen. Ausgetragen wird dieses - um nichts anderes handelt es sich - Spardiktat ausschließlich auf dem Rücken der betroffenen Eltern und deren Kinder, sogar die Verwaltungsgerichtsbarkeit spielt mit, obwohl auch in der Jugendhilfe, soweit sie Leistungen der Eingliederungshilfe erbringt, - vermutlich muss man ja schreiben: noch - der Bedarfsdeckungs-, der Individualisierungs- und der Kostendeckungsgrundsatz gelten. Schert die Einzelrichterin der 5. Kammer (dieselbe ist für Jugendhilfesachen zuständig) keinen Deut, der Antrag auf einstweilige Anordnung wird abgelehnt, auf einen Hauptsachetermin wartet man jetzt seit 15 Monaten. Ich kann es den Menschen mittlerweile nicht mehr verdenken, wenn sie wenigstens von geistiger Euthanasie sprechen, wenn eine derartige Kumpanei zwischen Verwaltung und Justiz vonstatten geht, liegt ein solcher Gedanke zumindest nicht mehr außerhalb jeglicher denktheoretischen Möglichkeit. Denn: Für die Finanzierung eines entsprechenden Platzes in einer Förderschule wäre ja der überörtliche Leistungsträger zuständig (also in jedem Fall hier in Hessen der Landeswohlfahrtsverband). Warum sich also das städtische Säckel beschweren, wenn man doch der Ansicht ist, man könne Eltern wenigstens mittelbar dazu zwingen, ihr Kind in eine Fördereinrichtung abzugeben.
Anderes Beispiel: Was macht ein Sozialamt (dabie geht es um ein anderes Kind, allerdings aus der gleichen Familie), wenn man ihm aus seiner Sicht zu renitent kommt? Richtig, es verweigert einfach die Leistung. Das geht ja jetzt nicht so ohne Weiteres, ergo muss man sich eine Begründung überlegen. An die betroffene Mutter traut man sich unmittelbar nicht heran, an das Kind sowieso nicht, ergo versucht man den Budgetbeauftragten (das bin, der interessiert Mitlesende wird es schon geahnt haben) nach Möglichkeit juristisch mundtot zu bekommen. Man unterstellt ihm also einfach Unzuverlässigkeit, Inkompetenz und Überfordertheit.
Das Interessante: Die Behörde hat fünf Monate gebraucht, bis sie überhaupt in irgendeiner Form geleistet hat (weswegen ich durch die damalige Arbeitnehmerin einen - dann auch noch vor dem Arbeitsgericht verlorenen - Prozess wegen Gehaltszahlung an den Hals bekam), sie hat mehrfach ohne irgendeine Begründung erheblich verspätet gezahlt, sie hat ein Budget so bemessen, dass man der Arbeitnehmerin mit einer vierwöchigen Kündigungsfrist zum Monatsende gar nicht hätte kündigen können (die Behörde hat das Budget einfach zur Mitte des letzten Schulmonats auslaufen lassen), sie gewährt seit August einfach kein Budget mehr.
Das heißt - irgendwer muss die Schulassistenz ja wenigstens dem Stundenumfang und der durch die Behörde gewährten Höhe nach (die keinesfalls das Entgelt für eine Sozialpädagogin umfasst, die bei einem autistischen Kind vorliegend zwingend erforderlich wäre; das sieht das Schulamt übrigens - ebenfalls begründungslos - ebenfalls anders) finanzieren. Nicht allein, dass mich das Persönliche Budget für die beiden Kinder im häuslichen Bereich nicht bereits seit knapp zwei Jahren über 5000,- € monatlich kostet, jetzt darf ich auch noch - neben den Fahrtkosten für beide Kinder, für die sich beide Ämter ebenfalls völlig unzuständig wähnen (also nochmals 600,- € monatlich) - etwas über 2000,- € für die Schulassistenz dieses Kindes aufbringen. Mit Verlaub, über 7500,- € jeden Monat, das muss man auch erst einmal haben.
Dabei, was jammere ich (ich jammere ja nicht wirklich, aber es könnte vielleicht so klingen)? Menschen, die einer 24-Stuinden-Assistenz bedürfen, haben noch viel höhere finanzielle Bedarfe, werden aber - Fallgestaltung erst gestern in dieser Form ins Haus bekommen - auch gerne einmal mit vier Stunden am Tag abgespeist. Und da redet mir der Leiter Behindertenhilfe eines rheinischen Kreises vorgestern allen Ernstes davon (wie im Übrigen auch die SPD-MdB Kerstin Griese, die den Vorsitz im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales führt), aufgrund der Zumutbarkeitsregelungen könne man ja im Zweifel gerichtlich den entsprechenden Stundenumfang (gut, in der Diskussion ging's konkret ums Poolen, aber das Prinzip ist das gleiche) durchsetzen. So, mit Verlaub, saudumm daherreden können wirklich nur Menschen, die noch nie einen solchen Bedarf über Tage, Wochen, Monate, Jahre, ihr ganzes Leben lang nötig hatten.
Man hält die Menschen - gut, bei mir funktioniert das jetzt nicht, aber versuchen kann man es ja einmal - permanent in einem gewollten Zustand des Dauerstresses und der permanenten Angst, notwendige Leistungen schon dann verlieren zu können, wenn man sie (weil sie bislang nur unzureichend oder durchaus auch einmal gar nicht gewährt worden sind) dem Umfang nach geltend macht, den man tatsächlich benötigt. Es findet eine gewollte Abwärtsspirale umgekehrt des Fleischeireifachverkaufspersonalsprinzips des "Darf's noch ein bisschen mehr sein?" statt. Jede/r Kämmerer/-in wäre froh, wenn sie oder er uns sämtlich los wäre, weil dann der kommunale Haushalt auf einmal erstrahlen und erblühen würde.
Wenn vonseiten der Politik unentwegt von gleichberechtigter Teilhabe die Rede ist, kann es einfach nicht sien, dass die Inklusion, die Barrierefreiheit, die Nachteilsausgleiche regelmäßig dort enden, wo sie Geld kosten und aus Steuermitteln finanziert werden müssen. Jedes Integrationsamt erzählt einem spätestens im Oktober jeden Jahres, im ginge das Geld aus, weil sich die Integrationsleistungen auf dem Arbeitsmarkt weitgehend aus der Ausgleichsabgabe finanzieren. Genau wie hier der Fiskus notfalls nachschießt, muss er das eben bei sämtlichen anderen Leistungen der Teilhabe auch tun.
Oder die Politik wird endlich ehrlich und gibt zu, dass es - finanziell und folglich inklusiv betrachtet (Inklusion kostet nun einmal in aller Regel Geld, und - überhaupt nicht in Abrede zu stellen - nicht zu knapp) - in Deutschland bereits jetzt eine Zwei-Klassen-Gesellschaft der Haben-Dürfenden Nicht-Beeinträchtigten, der demnächst ein wenig Haben-Dürfenden Beeinträchtigten, die berufstätig sind und der überhaupt Nichts-Haben-Dürfenden und deren Angehörigen, die nicht berufstätig sind, gibt und dass die Regierung sich völlig außerstande sieht, den Höchststeuersatz im Einkommensteuerrecht um zwei bis drei Prozentpunkte anzuheben oder die Verbrauchssteuern um einen Prozentpunkt aufwärts zu schrauben, weil: Zum einen träfe das ja die "Leistungsträger" dieser Gesellschaft, zum anderen: Wo kämen wir denn da hin, wenn sich Solidarität jetzt auch noch im Geldbeutel bemerkbar machen würde und die Gesamtbevölkerung tatsächlich auch finanziel dem Grundsatz huldigen müsste, dass "niemand ... wegen seiner Behinderung benachteiligt werden" darf. Aber, dann müsste man ja einmal politisch Tacheles reden, und, sind wir ehrlich - vor allem, wenn man mit Politikern unmittelbar diskutiert - wer will das denn schon? Wir? Na gut, aber für die paar hunderttausend Menschen im Eingliederungshilfebezug lohnt sich doch eine ernsthafte Diskussion, die unterhalb von Bäumen, auf denen die Betroffenen ja vor lauter Angst sitzen, seitdem sie in der ersten Lesung im Bundestag von Grünen und Linken so kirre vor Angst gemacht worden sind, dass sie's auf dem Erdboden gar nicht mehr aushalten, gar nicht. Zehn Millionen Schwerbehinderte, die sämtlich ein Recht auf benachteiligungsfreie Teilhabe als Menschenrecht haben. Wie würde Hilmar Kopper, vormaliger Sprecher des Vorstandes der Deutschen Bank, jetzt vermutlich sagen: Peanuts.
http://www.kobinet-nachrichten.org/de/1/nachrichten/34701/Schulinklusion-in-Frankfurt-mangelhaft.htm/////#comments
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